Filmkritik: »X-Men 2« (2003)

X-Men 2 beginnt mit einem Paukenschlag – ein bislang unbekannter Mutant, den erfahrene Leser der X-Men-Comics schnell als Nightcrawler identifizieren, greift im Weißen Haus im Oval Office den Präsidenten der USA an. Und obwohl viele Sicherheitskräfte vor Ort sind, haben sie keine Chance diesen Gegner, der wie der leibhaftige Teufel aussieht, zu erwischen – denn Nightcrawler ist ein Teleporter…!

Poster X-Men 2

Schon diese Eröffnung zeigt, daß Bryan Singer nicht übertrieb, als er ankündigte, daß »X-Men 2« mehr als nur eine einfache Fortsetzung des ersten X-Men-Films aus dem Jahr 2000 wird. Fast ist man verleitet zu sagen, daß zwischen »X-Men« und »X-Men 2« ein Evolutionssprung liegt, denn obwohl der Film die Geschehnisse des ersten Films aufgreift und logisch weiterführt, löst erst er die Versprechen ein, die der Vorgänger ab: die X-Men und ihre Fähigkeiten glaubhaft auf die Leinwand zu bringen!

Den Anschlag auf das Leben des Präsidenten nimmt Colonel William Stryker, ein Führer der Anti-Mutanten-Bewegung und Militärcommander zum Anlaß, um seinen Krieg gegen die Mutanten zu beginnen. Er führt einen großen angelegten Angriff gegen Xaviers „Schule für junge Begabte“ und bringt in Folge einige wichtige Mutanten in seine Gewalt. Das Leben aller Mutanten steht bald auf dem Spiel, denn Stryker, der jahrelang an Mutanten Experimente durchführte und dabei auch Wolverine erschuf, verfolgt einen vernichtenden Racheplan. Doch in der Stunde der größten Not steht den X-Men ein unerwarteter Verbündeter zu Seite…

War im ersten Film Wolverine, dargestellt vom damals noch fast unbekannten Hugh Jackman, der eigentliche Star des Films, so ist es diesmal eindeutig Nightcrawler. Der deutsche Mutant, der in einem Zirkus in München aufwuchs (im Comic wurde er gar in »Winzeldorf« in Bayern geboren) und eigentlich Kurt Wagner heißt, sorgt wie schon erwähnt gleich zu Beginn von »X2« für mächtig viel Action, als er in einer atemberaubend inszenierten Actionsequenz ins Oval Office des Weißen Hauses eindringt.

Nightcrawler (Alan Cumming)

Diese Minuten lassen die Kämpfe aus »The Matrix« alt aussehen, denn mit Nightcrawler sehen wir jemanden, der nicht nur unglaublich schnell und gelenkig agiert, sondern darüber hinaus auch noch teleportieren kann. Und wer bislang glaubte, daß man so etwas nicht glaubhaft auf der Leinwand darstellen kann, wird hier eines besseren belehrt… Außerdem sollte man auch lobend erwähnen, daß Alan Cumming, der Darsteller von Kurt Wagner, in der englischen Originalfassung viel Text in einem überraschend guten und klaren Deutsch spricht.

Aber natürlich kommen in X2 auch die anderen Mutanten nicht zu kurz (vielleicht mit Ausnahme von Cyclops), denn fast alle werden in die Kämpfe um das Überleben der Menschheit und der Mutanten verwickelt. Allenfalls Professor X (Patrick Stewart) und Magneto (Ian McKellen) lassen diesmal, obwohl sie jeweils eine wichtige Rolle im Film spielen, den jüngeren Mutanten ein wenig den Vortritt. Wolverine (Hugh Jackman) erfährt endlich mehr über seine Vergangenheit, Rogue (Anna Paquin) und Iceman (Shawn Ashmore) versuchen sich näher zu kommen (was ihnen einen netten Kommentar von Wolverine einbringt), Pyro (Aaron Stanford) erforscht seine Motive und Mystique (Rebecca Romijn-Stamos) darf endlich noch mehr von sich zeigen. Und nicht vergessen sollte man natürlich auch Jean Grey (Famke Janssen), die im Laufe des Films eine sehr wichtige Entscheidung trifft…

In Gastauftritten sind aber auch noch Lady Deathstrike, Colossus, Kitty Pride und viele andere bekannte Mutanten aus den X-Men-Comics zu sehen. Ja, Bryan Singer erlaubt sich sogar den Gag, kurz einen Dr. Hank McCoy (alias Beast) in einer TV-Einspielung auftreten zu lassen und ein File mit dem Namen »Franklin Richards« (der Sohn der Fantastischen Vier) auf einem Computer zu zeigen. Für Kenner der X-Men ist es außerdem interessant zu sehen, wie Bryan Singer viele Motive aus der Graphic Novel »God loves, Man kills« (erscheint im Juni 2003 bei Marvel Deutschland als »Gott liebt, Menschen töten«) aufgriff, mit anderen bekannten Storylines verknüpfte, und zu einer neuen, eigenständigen Geschichte verarbeitete.

X-Men 2 ist aber kein schnöder Actionstreifen, sondern im Gegenteil sogar randvoll gepackt mit Handlung, so daß Langweile erst gar nicht aufkommen kann. Geschickt schafft der Film es aber auch die Themen der ersten Films erneut aufzugreifen – die Frage nach der Akzeptanz der Mutanten in der menschlichen Gesellschaft. Gerade in einem Land, in dem es in manchen Staaten sogar verboten ist, überhaupt die Darwinsche Evolutionslehre zu unterrichten, haben es Außenseiter schwer akzeptiert zu werden. Da verwundert es nicht, daß Bobby Drakes (Iceman) Mutter ihn in einer Szene fragt, ob er denn schon versucht hätte »kein Mutant zu sein?«

Elegant stellt Regisseur Bryan Singer auch gleich die Weichen für einen dritten X-Men-Film. Eingefleischten Comicfans dürfte deshalb schon zum Ende des Films klar sein, um was im dritten Teil wahrscheinlich gehen wird.

Schlußendlich bleibt mir nur eins zu sagen – »X-Men 2« übertrifft seinen Vorgänger um ein vielfaches und dürfte zum ersten Blockbuster des Jahres 2003 werden! Diesen Film sollte man sich als Comicfan auf keinen Fall entgehen lassen! X2 ist mitreißend, atemberaubend inszeniert und ein perfektes Kinoerlebnis. Wer also tatsächlich so dumm ist, sich davon eine verwackelte Internetkopie zu ziehen, dem kann nicht mehr geholfen werden… Denn ab 1. Mai 2003 kommen die X-Men in Deutschland ins Kino!

© Florian Breitsameter (Text), 20th Century Fox (Bild)