Fragen zum Herrn der Ringe III

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Knochenmann
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Ungelesener Beitrag von Knochenmann »

"Discword Noir" war eigendlich ziemlich gut, hat damals zusammen mit "Grim Fantango" von Lucas Arts die Adventur Charts angeführt. Ich fand es auch sehr gelungen, aber die Grafik war/ist leider nicht Up to Date.
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molosovsky
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Tolkien's Katholizismus und Mittelerde

Ungelesener Beitrag von molosovsky »

Hallo zusammen.

Warnung: Größere Klugsch**sserei.

Wie sehr wurde »Der Herr der Ringe« {desweiteren LOTR genannt} und die gesamte Mittelerde-Schöpfung beeinflußt durch den Umstand, daß Tolkien ein tiefgläubiger katholischer Christ war?

So wie diese Frage hier bisher verhandelt wurde, kann ich nicht umhin festzustellen, daß es einiges an Wissen und Recherche bedarf um das zufriedenstelend zu klären. Es ist bei einer so tiefgehenden Problematik nicht damit getan, einfach mal nach eigenen Vermutungen und Gutdünken entscheiden zu wollen, od der LOTR
- zutiefst heidnisch/sagenhaft oder
- innig christlich-katholisch ist.

Lieber Kringel, leider muß ich Dich als schlechtes Beispiel zitieren, da Du am deutlichsten Stellung für ersteres beziehst.
Tolkiens Gesamtwerk hat nichts mit Religion zu tun. Er wollte lediglich einen Mythos bzw. eine Sagenwelt für England erschaffen, weil es dort so etwas wie die deutschen Heldensagen, die nordischen Sagas usw. nicht gibt.
Da stellt sich für mich sofort die Frage nach Deinen Quellen, bzw. Deiner Vertrautheit mit christlicher Theologie, und ich wage zu vermuten, daß es mit beiden bei Dir nicht so weit her ist.

Aber vielleicht kann ich Dir nach diesem Anwurf versöhnlich entgegenkommen, indem ich mich selbst oute als jemand, der (alle bisherigen) Religion als ein überholtes immunologisches Konzept betrachtet, daß in unserer modernen Welt höchstens als Schutz für die persönliche Unversehrtheit von Indiviuuen eine gewisse Berechtigung hat. Die wohl noch allen Kindern eigene Ader zu philosophisch-metaphysischen Spekulationen wurde bei mir nie groß verunsichert, und so hat mein kleiner sturer Kopf mich mit 13 (religionsmündig) aus der katholischen Kirche austreten lassen.

Tolkien selbst war ein überaus hingebungsvoller Kathole, der sich die heilige Kommunion versagte, wenn er nicht zuvor gebeichtet hatte; der als Apostel seinen Freund C.S. Lewis zu missionieren trachtete (und sehr enttäuscht war, als der sich für den anglikanischen Glauben entschied); dessen Frau vom Protestantismus zum Katholizismus konvertierte um den Strenggläubigen Tolkien heiraten zu konnen (ein Thema, daß sich in Arwen und Aragorn wiederspiegelt).

In der Biographie von Humphrey Carpenter heißt es auf S. 111:
»Mittelerde ist unsere Welt«, schrieb er {Tolkien}, mit dem Zusatz: »Ich habe (natürlich) die Handlung in eine rein imaginäre (wenn auch nicht ganz unmögliche) Periode des Altertums gerückt, in der die Kontinente eine andere Form hatten.«
Kurz darauf analysiert Humphrey:
Seite 111: Es {Tolkiens Mittelerde-Schöpfung} widerspricht nicht dem Christentum, sondern ergänzt es. In den Legenden wird Gott nicht angebetet, und doch ist er da, und im Silmarillion wird er ausdrücklicher genannt als in dem Werk, das daraus herwuchs, dem Herrn der Ringe. Tolkiens Universum wird von Gott »dem Einen«, regiert. Unter Ihm in der Hierarchie stehen die »Valar«, die Hüter der Welt, die keine Götter, sondern engelhafte Mächte sind, ihrerseits heilig und Gott untertan; {…} Tolkien gab seiner Mythologie diese Form, weil er wünschte, daß sie fern und fremd, zugleich aber keine Lüge sei. Er wollte, daß die mythologischen und legendären Erzählungen seine eigene moralische Sicht der Welt aussprechen sollten, und als Christ konnte er sie dann nicht in einem Kosmos ohne Gott stellen, den er verehrte. {…} Seite 112: Als er das Silmarillion schrieb, glaubte Tolkien in gewissem Sinne, die Wahrheit zu schreiben. Er nahm nicht an, daß genau die Völker, die er beschrieb {…} auf Erden gelebt und getan hätten, was er berichtete. Doch fühlte oder hoffte er, daß seine Geschichten in gewisser Hinsicht eine starke Wahrheit verkörpern.
Und gemeint ist religiöse, genauer christlich-katholische Wahrheit, nicht die Art von belegbarer Evidenz, die unseren modernen Wahrheitsbegriff prägt.

Weiter bei Carpenter (S. 113):
Tolkien glaubte fest daran, daß es einmal ein Eden auf Erden gegeben habe und daß die Ursünde des Menschen und seine Verstoßung aus dem Paradies an den Übeln der Welt schuld sei.
(Nebenbei: Eden weiß ich jetzt nicht genau, aber Paradies kommt aus dem Persischen und bedeutet »(künstlicher) Garten mit Zaun drumm rumm«)

Die entscheidenden Wendepunkte der Mittelerde-Geschichte sind bestimmt von Eigenwilligkeit, Widerspruch gegen den Schöpfergott-Willen; beginnend mit Melkors aufsässigem Gesang als (luziferisches) Gegenthema zur Musik der Ainur; über die (verschiedenen) Bruderkämpfe der Elben, die sich als Vor-Echo von Kain und Abel lesen lassen; bis zu den verschiedenen Gelegenheiten an denen menschliche Könige oder kleine Hobbits sich weigern, den Einen Ring zu zerstören.

Bei all diesen Gelegenheiten finden sich starke Anklänge auf die katholischen Melodien von der Vorhersehung Gottes, der gnadenreichen Heilsgeschichte und der Notwendigkeit des freien Willens, durch den zwar das Böse in die Welt kam, das sich aber als notwenige Stimme im (für Menschen undurchdringlingen) großen (Heils-)Plan Gottes entpuppt.
Wie das?, mögt ihr fragen.
Zum Beispiel beim LOTR-Showdown: Frodo und Gollum sind bei ihrem finalem Kampf beide dem Bösen verfallen, aber aus dem Kampf von zwei (in diesem Moment) bösen Figuren ergiebt sich die (völlig unvorhersehbare) Erlösung von einem großem Übel.
(siehe Augustinus, Thomas von Aquin und Nikolaus von Kues.)

Desweiteren:
Die Frauenfiguren bei Tolkien (allen voran Galadriel) können als frühes Erklingen des Marienmotivs gedeutet werden. Maria selbst wird (vor allem im Mittelmeerraum und anderen zur See fahrenden Völkern) in einen starken Bezug zum Abendstern gesetzt. Das ließt sich dann in einem altem englischen Lied so:
Hail, Queen of Heaven, the ocean star,
Guide of the wand’rer here below:
Thrown on life’s surge, we claim thy care —
Save us from peril and from woe.
Mother of Christ, star of the sea,
Pray for the wanderer, pray for me.
Bei Tolkien kann daraus folgendes werden:
Snow-white! Snow-white! O Lady clear!
O Queen beyond the Western seas!
O light to us that wander here
Amid the world of woven trees!…
O Elbereth! Gilthoniel!
We still remember, we who dwell
In this far land beneath the trees,
Thy starlight on the Western seas.
Next:
Das wundersame Lembas-Brot trägt ziemlich klar vernehmbare eucharistische Obertöne. Gut, es ist nicht 1 zu 1 vergleichbar mit dem Brot und dem Wein das Fleisch und Blut des Erlösers ist. Wie sehen solche Obertöne aus? Einmal die Namen in Quenya coimas (life-bread, Lebensbrot) und Sindarin Lembas oder lenn-mbass (journey-bread, Pilgerzehrung). Dann auch: Lembas wird behütet von Yavanna (die Königin oder höchste/herrlichste aller Elbenfrauen oder anderer Leute, ob groß oder klein) und dementsprechend übersetzten sich ihre Beinamen massànie oder besain als die Herrin oder Brotgeberin. Frucht Deines Leibes … klingelt es?
(Infos aus: »History of Middle-Erath XII, The Peoples of Middle-Earth«, S. 403ff. Auch klingt in der Beschreibung des Anbaus des Lembas-Korns das Samen-Motiv aus der Bergpredigt aus dem Neuen Testament an. Schade, daß die Bände III bis XIII nicht mehr ins Deutsche übersetzt werden.)

Wirklich deutlich ist auch die Wortkunde zu Sauron, fiktiv (Quenya) mag das der Grausame heißen, aber Tolkien plünderte alle möglichen realen Sprachen und so überrascht es wenig, daß der Name dem griechischen sauros (Echse, Schlange) abgeguckt wurde. Dinosaurier leitet sich auch daraus ab.

Und weiter mit dem Anwendbarkeiten:
Frodo, Gandalf und Aragorn erleben alle drei ihren Tod und darauffolgende Auferstehung. Gandalf in Moria (als ganzes ein Friedhof und Totenreich), Aragorn auf dem Pfad der Toten (Fegefeuer-Thema), aber Frodo am deutlichsten. Am dritten Tage nach Kankras Lauer findet Sam ihn wieder. Zwischendurch lag Frodo in totengleicher Starre.

Der 25. März ist nach christlicher Tradition nicht nur der Tag der Kreuzigung von Jesus, sondern auch der Tag der Verkündigung (also Befruchtung). An genau diesem Tag wird der Ring zerstört. Wenn man bedenkt, daß Tolkien seine Welt frei erfunden hat (und die Monate auch ganz anders heißen könnten, oder ganz andere Jahresläufte hätten erdacht werden können), kann man dies wirklich nicht als Zufall deuten. Das ist Absicht.

So. Das alles habe ich in einer lockeren Stunde Recherche zusammengefunden (und nebenbei lief Extendet Version Teil eins) . Damit will ich niemanden seinen (heidnischen, atheistischen, einfach so-)Spaß an LOTR vergällen, sondern lediglich darauf aufmerksam machen, welche tieferen Schichten offengelegt werden können, wenn man sich die Mühe macht, sich auf die Intentio Auctoris einzulassen.

Tolkiens Glaube ging einher mit einer großen Bescheidenheit. Deshalb lag es ihm fern, deutliche, ins Auge springende Hinweise auf seinen katholischen Glauben zu liefern. Deswegen verachtet er auch Allegorie so sehr, denn diese ist eine Symbolgrammatik, die kein Deuteln zuläßt. Eine Frau mit Augenbinde, Schwert und Waagschalen IST »Gerechtigkeit« und nix sonst. Theologisch gesehen vollzieht Tolkien also einen Umgang mit Symbolen und Bedeutungen, der konträt zu den Bilderstürmen der Reformation ist. Statt die Bilder von Gott und Jesus usw abzulehnen, hat er beflügelt durch seine Begeisterung für (heidinische) Mytholgie den Bilderschatz SEINES Glaubens zu erweitern verstanden.

Als Prosa- und Romanautor finde ich ihn größtenteils lächerlich (Ausnahme: Silmarillion und Kinderbücher), als Lyriker schrecklich altbacken lieblich, aber ich verneige mich vor ihm als großen Brückenbauer zwischen katholisch-christlicher und heidnisch-vorchristlicher Religion. Er mag bekehrend auf seine Umwelt eingewirkt und dabei zuweilen ein schwieriger Mensch gewesen sein, aber im Mythenverschmelzen zeigt er sich bewundernswert tolernat (und er konnte sonst gegenüber Dingen wie der Moderne und der Demokratie ziemlich engstirnig ablehnend sein).

Wer stöbern mag, dem sei die umfangreiche Linksammlung The Catholic Imagination of J.R.R. Tolkien empfohlen. (man beachte die URL und verzweifle).
Interessante Essays von katholisch-christlichen Autoren sind meines Erachtens:
The Lord and the Lady of the Rings von Stratford Caldecott
Faith and Fantasy von Steven D. Greydanus
The Universe According to Tolkien von Sandra Miesel
Why Tolkien Says LOTR is Catholic von Joseph Pearce
Tolkien's Catholic Imagination von Jason Boffetti.

Alles was dort zu lesen ist, stellt weitaus diskretere Deutungen zu Mittelerde dar, als alle Interpretationen a la LOTR ist Rassistisch, Frodo und Sam, oder Gandalf und Frodo wären homosexuelle Sublimationen und ähnlicher Quatsch.

Anschließend kann ich jedem begeisterten Leser empfehlen, sich einmal unerschrocken zu fragen, was genau für ihn die Faszination von LOTR und Mittelerde ausmacht. Ist es der Trost, die Epik, die Exotik, das Heldenhafte, die Naturromantik, die Sprache oder oder oder?

Großartige (katholisch-jesuitische) Vergleichslektüre zum »Herrn der Ringe« ist ein Ur-Fantasy-Buch aus dem spanischen Barock:
Balthasar Gracian: Das Kritikon, als Fischer-TB für 20 Euro zu haben. Hier findet sich das sehr christliche Motiv des Lebens als Pilgerreise zum Seelenheil, der Mensch als Fremdling in einer trügerischen Welt (versaut durch demiurgische Pfuscherei, sprich abtrünnige Engel. Es gibt z.B. herrliche Apokryphen über Noas Frau, die die Arche ein paar mal abfackelte, weil sie meinte, wenn die Sintflut kommt, wäre Eigen-Rettung Ungehorsam.)

Know Thy Enemy.
Dig deep.
alex / molosovsky

Bearbeitung: Tippfehler gebügelt und nähere Erläuterungen
Zuletzt geändert von molosovsky am 18. Juli 2004 17:33, insgesamt 3-mal geändert.
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Ulrich
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Ungelesener Beitrag von Ulrich »

@Molosovsky: Um die Intention eines Autoren aufzuzeigen, bedarf es einiges mehr, als das Herausfinden der gesellschaftlichen und religiösen Quellen seiner Werke. Vielleicht wollte er wirklich nur eine Sagenwelt für England erschaffen? Das widerspricht aber nicht, dass er diese auf den kulturellen Wurzeln begründet, die ihm am vertrautesten sind und von deren Richtigkeit er überzeugt ist.

Was Kringels Aussage betrifft, diese habe ich ebenfalls gelesen. Ich denke das war in einem Buch über Tolkien, herausgegeben vom EDFC.

Bezüglich des Brückenbauers zwischen christlicher und heidnischer Religion möchte ich nicht widersprechen. Ich weise aber daraufhin, dass es im Christentum bereits heidnisches gibt. Bekanntestes Beispiel ist der Weihnachtsbaum (eigentlich fast das gesamte Weihnachtsfest).
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Ungelesener Beitrag von deval »

@molosovsky
ich plädiere dafür, keine artikel die unter drogeneinfluß oder anderen berauschenden mitteln verfaßt wurden, hier einzustellen!! :D

leider muß ich ulrich recht geben. im christentum wimmelt es in der tat von heidnischen bräuchen und symbolen. ich denke nicht, das tolkien da erst einen brückenschlag durchführen muß.
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Ungelesener Beitrag von molosovsky »

Jupp, klar hat der christliche Glaube wie ein Schwamm vorchristliches aufgesogen. Weniger aber aus theologischer Redlichkeit, denn aus macht-imperialer Notwendigkeit.
Das Datum Weihnachten leitet sich übrigens von der Einweihung des Sol-invictus-Tempels unter Kaiser Aurelian (270 - 275 n.Ch.) am 25. Dez. 274 ab.
Tolkien hat Arthur-Sage übrigens nicht als heimischen Mythos anerkannt, weil sein heiliges England zur entsprechenden Zeit zu sehr von romanischen-französischen Einflüssen versaut war.

Dig deeper.
alex / molosovsky
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Okey, hartes Zitat wird notwendig

Ungelesener Beitrag von molosovsky »

Ich verlasse mich (zwar nur) auf eine indirekte Quelle und nur zu gerne wäre ich Besitzer einer (dt. oder engl) Ausgabe der Briefe Tolkiens, aber in dem oben schon verlinkten Essay »The Lord and Lady of the Rings« schreibt Stratford Caldecott:
Obviously, the story is fiction. Yet the texture of it is somehow faithful to reality. Tolkien wanted to write realistically, in the sense that he was imitating and describing, not the way the world is, but the way God works in the world. Furthermore, while Tolkien’s aversion to allegory is well known, he definitely viewed the symbolism of the story as a way of communicating truth. He did not want to invent something entirely original, but to discover and explore a possible world; and he knew that for a world to be possible it has to reflect in its own substance and design, under whatever marvelous and unexpected forms, the same divine Wisdom and Goodness that we find in this one.
Fußnote dazu mit Quellenangabe:
See the footnote in Letters, pp. 193—194 (153), for more detail about the role of religion in the imaginative world of The Lord of the Rings. The famous letter to Robert Murray, S.J., in which he explains why he has cut out most references to religion, to cults or practices, so that "the religious element" may be "absorbed into the story and the symbolism," is found on p. 172 (142) of the same book.
Und bitte, verwechselt nicht das, was ihr gerne aus Tolkien machen wollt mit dem, was der Kerle selber wollte. Immerhin hat er sehr schockiert und angewidert von seinen Fans in den Sechzigerjahren als »langhaarige Irre« gesprochen, und war so gar nicht glücklich mit den neu-heidnischen Deutungen. Oh Gott, ich wollte HIER niemanden als irre oder langhaarig zeihen, nur darauf hinweisen, daß man vielleicht heutzutage den Wirrnissen der Hippy-Leserschaft aufsitzt. Ich sag nur: Pfeiffenkraut ist NICHT Marihuana.

Und: ich lasse mich gerne überzeugen, daß ich Quatsch interpretiere. Aber tut mir bitte den Gefallen, mir Fakten aufzuzeigen.

Der Pluralismus an Deutungen der mit Tolkiens Schriften möglich ist, gehört für mich zu den Stärken seines Werkes. Man sollte aber dennoch auch neugierig sein, auf die tieferliegenden Schichten, auch wenn sie einen nicht in den Kram passen.

Und @ Valleton: Du hast recht. Ich trink zuviel starken Kaffee.
Zuletzt geändert von molosovsky am 18. Juli 2004 17:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Tolkien's Katholizismus und Mittelerde

Ungelesener Beitrag von nekropole »

molosovsky hat geschrieben:...aber ich verneige mich vor ihm als großen Brückenbauer zwischen katholisch-christlicher und heidnisch-vorchristlicher Religion...
Tja, schade ich kann es nicht so ausdrücken wie Alex, aber so ähnlich hatte ich es gemeint.

Auch wenn natürlich das Christentum mit heidnischen Bräuchen durchsetzt ist und Tolkien nicht der einzige Brückenbauer ist.

Gruß
Thomas
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Kringel
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Ungelesener Beitrag von Kringel »

@molosovsky: Was ich schrieb, d.h. welche Intention Tolkien hatte, fußt auf verschiedenen Tolkien-Biografien. Ich verstehe weder von heidnischen Religionen noch vom Christentum genug, um aus diesen Kenntnissen heraus den HdR entsprechend deuten zu können. Es handelt sich also nicht um eine Interpretation des Romans, sondern um etwas, das ich inzwischen einfach als gegeben annehme.

Wenn ich schrieb, daß der Roman nichts mit Religion zu tun hat, dann wollte ich damit ein früheres Posting kommentieren, in dem gesagt wurde, Tolkien habe eine Religion erschaffen wollen - und dem ist definitiv nicht so. Soweit klar? Daß Tolkien Elemente verschiedener Religionen benutzt, bedeutet IMO nicht, daß das Grundthema des Romans religiös zu verstehen wäre. Um eine Formulierung deines Postings vom So Jul 18, 2004 3:51 pm zu missbrauchen: Ich wage zu behaupten, daß es mit deinen Kenntnissen von Tolkiens wahren Intentionen ebensowenig weit her ist wie mit meinen... :wink:
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molosovsky
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Ungelesener Beitrag von molosovsky »

Hallo Kringel,

puh, beruhigt mich, daß Dir mein Lang-Sülz nicht aufs Gemüt schlug. Ich weiß, ich neige zu so einem (bisweilen lästigen) Seminar-Dozierton. Danke für die Milde.

Will man gerecht sein, dann muß man LOTR und Mitterlerde von drei Seiten abklopfen.
• Als persönlichen Ausdruck einer innigen katholischen Gläubigkeit;
• Als Neu-Aneignung alt-europäischer (vor allem nordischer) Mythen;
• Als lingusitsiche, geographische und geneologsche Laubsägearbeit (siehe Schlüsseltext »Leaf by Niggle«).

Interessant ist, daß Tolkien – so eigen seine Schreibe ist – immer wieder Überraschendes bietet. So nimmt er heutige christliche Strömungen, wie die von Matthew Fox vorweg, die den Gedanken der Bewahrung der Schöpfung in den Mittelpunkt des Glaubens stellen. Oder Tolkiens Motiv der Schöpfung als Klangzauber; eine nicht zu unterschätzende Gegenposition zur Substanz- und Objekt-Fixierung heutiger Psychologie-Mythen … bevor man von visuellen Spiegel-Erfahrungen und Aneignung der Welt sprechen kann, findet erstmal eine akkustische Sirenen-Erfahrung statt und dergleichen mehr.

Wirklich krass ist, wie Tolkiens kreativer Prozess aussah, dieses schwebende, offene Suchen nach Bedeutung, und das trotz all der Detailbesessenheit, die er an den Tag legt. Überhaupt, diese Ernsthaftigkeit an Hintergrundausarbeitung ist DIE Innovation seiner Literatur.

Insofern hast Du nicht ganz unrecht. Eine NEUE Religion wollte Tolkien nicht schaffen, sondern der seinen Ausdruck verleihen. LOTR kann man getrost zwischen die Bibel und den Katholischen Kathechismus ins Regal stellen, und gemäß der Autoren-Intention fühlt sich das große rote Buch der Westmark dort sauwohl … wohler als zwischen (ich sag mal) Moorcock und Eddings.

Warum beschäftige ich als ausgesprochener Tolkien-Skeptiker mich trotzdem seit über 15 Jahren mit dem Mittelerde-Schmalz? Weil Tolkien trotz all meiner Abneigung und Bedenken der große Papa der sogenannten »Fantasy« ist, eine Genre- oder Gattungsbezeichnung, mit der ich nicht recht glücklich werde.

Schimpf mich einen Paranoiker, aber ich empfinde diese Art von Fantasy manchmal schlicht als krypto-katholisches Gedöns, und vor die Wahl gestellt, die z.B. Eddings im Vorwort von »Rivan Codex« aufwirft, christlicher oder heidnischer Ansatz bei der Fantasy-Welt-Schöpfung, buche ich blind lieber zweiteres (denn die haben mehr Spaß).

Ich kann nicht anders, als im Sinne einer Relativierung Tolkiens immer wieder den Versuch zu starten, den (am Autor vorbeigehenden) Neu-Aneignungen durch heutige Leser entgegenwirken zu wollen. Wenn ich mir solche Papierverschwendungen wie die Tad Williams- und Robert Jordan-Schinken anschau, erscheint mir das notwendig.

Der großartige Rundumerneuerer der Fantasy (besser Wired Fiction) China Miéville war diesbezüglich eine enorme Anregung für mich, mich mal ausführlich mit der Phantastik auseinanderzusetzten. Dazu wühle ich mich seit einiger Zeit von Platon (Ideenwelt), über Leibniz (mögliche Welten) bis zu Sloterdijk (plurale Sphärologie) durch die Philosophiegeschichte, auf Spurensuche nach den metaphysischen Grundlagen der Phantastik.

So.
Und als Linderung nach all dem Kopffüßlerblabla, will ich mal ein Suuuuperbeispiel geben, wo es auch mich echt hebt, wenn ich den guten J.R.R. lese (und diesmal auf Deutsch zitiert, damit alle was davon haben):

Auf zur Belagerung von Minas Tirith in »Die Rückkehr des Königs« (Krege, One-Volume-Ausgabe, S. 873)
Die Trommeln wirbelten lauter. Große Maschinen krochen übers Feld heran; un in ihrer Mitte kam ein riesiger Rammbock, dick wie ein Baum und hundert Fuß lang, aufgehängt an mächtigen Ketten. Lange war er in Mordors dunklen Waffenschmieden zurechtgeschliffen worden, und sein hässlicher Kopf, aus schwarzem Stahl gegossen, hatte die Form einer Wolfsschnauze und war mit mauerbrechenden Worten beschriftet. Grond nannten sie ihn, in Erinnerung an den Unterwelthammer der alten Zeiten. Große Tiere zogen ihn, Orks deckten ihn an den Seiten, und hinterdrein kamen Bergtrolle, um ihn ans Ziel zu wuchten.
Zurück durch die Jahrtausende ins Erste Zeitalter und der (vierten) Schlacht des Jähen Feuers; Morgoth im Kampf gegen Fingolfin (Krege, Silmarillion, S. 172)
Dann schwang {der turmhohe} Morgoth Grond hoch in die Luft, den Unterwelthammer, und schmetterte ihn nieder wie einen Donnerschlag. Doch Fingolfin sprang beiseite, und Grond schlug eine mächtige Grube in die Erde, aus der Rauch und Feuer hervorsprühten. Viele Male versuchte Morgoth, ihn zu zerschmettern, und jedesmal wich Fingolfin aus, wie der Blitz unter einer dunklen Wolke hervorspringt; {…} Doch die Erde um ihn war nun voller Löcher und Gruben, und er strauchelte und fiel rücklings Morgoth vor die Füße; und Morgoth setzte den linken Fuß auf seinen Hals, schwer wie ein stürzender Berg. Doch mit einem letzten und verzweifelten Streich hieb Fingolfin ihn Ringil in den Fuß, und das Blut sprudelte schwarz und dampfend hervor und füllte die Gruben, die Grond gehauen hatte.
Da bleibt mir meckerlos die Spucke weg, und nein, ich bin nicht so tollkühn, Grond als Phallus zu interpretieren und die blutigen Gruben als … na ihr wißt schon. Ich heiß ja nicht Arno Schmidt oder Siggi Freud.
Ähnlich auch bei der (zweiten) Schlacht unter Sternen in der eine ganze Balrog-Armee auftritt. Man stelle sich vor, eine ganze Horde von den Biestern, von denen einer in LOTR den guten Gandalf alt aussehen läßt.

Grüße
molosovsky / alex

Bearbeitung: Vertipper in Namen ausgebessert.
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Ungelesener Beitrag von Kringel »

molosovsky hat geschrieben: • Als persönlichen Ausdruck einer innigen katholischen Gläubigkeit;
• Als Neu-Aneignung alt-europäischer (vor allem nordischer) Mythen;
• Als lingusitsiche, geographische und geneologsche Laubsägearbeit (siehe Schlüsseltext »Leaf by Niggle«).
Zu Punkt 2 und 3: Volle Zustimmung, weil Tolkien das selbst immer wieder so oder so ähnlich formuliert hat.

Zu Punkt 1: Möglicherweise, aber das ist nur im Rahmen einer IMO unsicheren Interpretation möglich.

Was deine Meinung zu Fantasy allgemein und HdR im Besonderen angeht: Warum die Fixierung auf Religion? Werden in Fantasyromanen derartige Elemente nicht zu 99% als Stilmittel eingesetzt? Warum derartige Geschichten nicht als das sehen, was sie sind: Farbenprächtige, mehr oder weniger fantasievoll und detailgenau ausfabulierte Abenteuer-Unterhaltung? Okay, damit wird man Tolkien nicht gerecht, aber mit einer derartigen Herangehensweise würdest du vielleicht deine Abscheu überwinden können :wink:
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Ungelesener Beitrag von deval »

molosovsky hat geschrieben: LOTR kann man getrost zwischen die Bibel und den Katholischen Kathechismus ins Regal stellen, und gemäß der Autoren-Intention fühlt sich das große rote Buch der Westmark dort sauwohl … wohler als zwischen (ich sag mal) Moorcock und Eddings.
bitte etwas genauer. wer ist MAN?
jeder der sich ernsthaft mit religion beschäftigt, seien es Christen, Zeugen Jehovas, Moslems, oder wer auch immer, wird das sicherlich nicht machen. religion ist etwas anderes als das was tolkien geschaffen hat oder schaffen wollte.

man muß sich doch nur die griechische oder römische oder germanische mythologie anschauen. heute glaubt doch niemand mehr dran. das ist mythologie aber im heutigen sinne keine religion mehr.

religion braucht gläubige. kennst du jemanden der sich hinsetzt und die sagenwelt tolkiens als glaubensgrundlage nimmt? ich nicht. ich denke auch nicht, das tolkien mit diesem werk seiner religion ausdruck verleihen wollte. warum sollter er das machen? wem gegenüber?

ich stimme kringel voll und ganz zu wenn er schreibt:
Farbenprächtige, mehr oder weniger fantasievoll und detailgenau ausfabulierte Abenteuer-Unterhaltung?

mehr ist es meines erachtens auch nicht.

wie hat troy mal in einer enterprise-folge zu data gesagt: manchmal ist ein kuchen einfach nur ein kuchen.
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Gast

Ungelesener Beitrag von Gast »

Hallo,

@Kringel: Du hast vollkommen recht, daß ich was »Fantasy« (und Literatur allgemein) betrifft ein wenig fixiert bin, aber nicht nur speziell bezüglich Religion, sondern betreffs Metaphysik überhaupt. Dazu habe ich in meinem Blog verschiedene theoretische Texte zusammengefaßt. (Und mit Überarbeitungen der Beiträge zu Tolkien hier, werde ich diese offene Reihe fortsetzten. Akademisch wird fast nur unbrauchbare Sophisterei bezüglich Phantastik betrieben.)
• Umberto Eco: »Die Welten der Science-Fiction«;
• Umberto Eco: »Mögliche Wälder«
• Marcus Hammerschmitt: »White Light / White Heat«

Dort entsprechend einiges zu möglichen Welten, Fiktionsverträgen, und den narratologischen und fiktologischen Grundlagen von SF, Fantasy, Horror, also Phantastik. Man kann z.B. nicht alte Mythen und Religionen und moderne Phantastik in einen Topf schmeißen. Die dahinter stehenden Auffassungen der Welt- und Wirklichkeitsbeschaffenheit sind sehr unterschiedlich. Der Wahrheitsanspruch von möglichen (fiktiven) Welten wurde z.B. durch Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716) formuliert, z.B. in seiner »Methaphysischen Abhandlung«:
Kleiner Teaser:
Denn was die universale Ordnung anbetrifft, so ist ihr alles gemäß. Das ist so wahr, daß nicht nur nichts in der Welt geschehen kann, was völlig unregelmäßig wäre, sondern man kann sich so etwas nicht einmal ausdenken
Die ganze Praxis (möglichst) plausibler Extrapolation von möglichen Zukunftswelten gründet auf solchartigen Überlegungen. Nicht von ohngefähr haben schon vor einigen Zeiten die fortgeschrittenen IT-Techniken (Quantencomputer) die Leibniz'schen Monadentheorien wieder für sich entdeckt, und der ehemalige SF-Autor Neal Stephenson macht den entsprechenden Zwist zwischen Leibniz und Newton zu einem wichtigen Thema in seiner derzeit erscheinenden »Baroque«-Trio.

Dieses Hin- und Her zwischen Theorie und Fiktion ist für mich ungemein spannend und macht mehr Sinn, als das eingeengte Diskurspalaver großer Teile unserer akademischen Kultur.

Ich nehme es aber niemanden übel, wenn er mit diesen meinen und ähnlichen Beschäftigungen nix anfagen kann. Das (wie Schopenhauer sagt) »ächte philosophieren« wird heutzutage gründlich und systematisch aberzogen und erstmal verunsichert macht das alles keine Freude mehr (und für mich ist Philosophieren etwas lustiges und nichts karrend ernstes).

Inzwischen habe ich die oben nur indirekt zitierte Eigenaussage Tolkiens im Wortlaut gefunden, und bringe sie hier im Original und von mir (mehr schlecht als recht) übersetzt:

Im Netz zu dinen finden bei Lord of the Imagination, etwa »Herr/Meister der Vorstellungskraft/Phantasie«)

Zitiert nach Humphrey Carpenter: »Letters of J.R.R. Tolkien«:
»The Lord of the Rings is of course a fundamentally religious and Catholic work, unconsciously so at first, but consciously in the revision. That is why I have not put in, or have cut out, practically all references to anything like "religion", to cults or practices, in the Imaginary world. For the religious element is absorbed into the story and the symbolism.«
(schreibt Tolkien selbst in Brief No. 142)
»Selbstverständlich ist Der Herr der Ringe ein durch und durch {grundsätzlich} religiöses und katholisches Werk, unbewußt zu Beginn, doch bewußt bei der Überarbeitung. Alle Verweise {Bezüge} zu Dingen wie "Religion", auf Kulte und {religiöse} Praktiken in der vorgestellten {ausgedachten} Welt habe ich deshalb weggelassen oder entfernt. Denn das religiöse Element {man beachte den Singular} ist in die Geschichte {Handlung} und die Symbolbedeutungen eingagangen.«
Insofern ist LOTR in Bezug auf katholischen Glauben GROB vergleichbar mit »Battlefield Earth« und Scientology.
Und mich jetzt bitte nicht den haun, ich weiß, daß dieser Vergleich hinkt. :-)

@Vallenton: MAN in meiner (polemischen) Formulierung, ist in dem Fall jemand (z.B. ich), der sich als nicht religiöser Mensch mit Religion und/oder Literatur beschäftigt
Du hat geschrieben:
man muß sich doch nur die griechische oder römische oder germanische mythologie anschauen. heute glaubt doch niemand mehr dran. das ist mythologie aber im heutigen sinne keine religion mehr.
Na, ob das die Asatrus und Wikkas, Satanisten und Naturkraft-Partei-Gänger und andere Neuheiden auch so sehen? Ich wage das zu bezweifeln.

Tolkien war selbst kein Verköstiger von Abenteuer-Literatur (also im Stile von Alexandre Dumas, Karl May und ähnlichen), er hat sie sogar, wie alles Moderne, verachtet.

Religion braucht erst in zweiter Linie Gläubige. Zuerst sind Propheten, Priester und Apostel nötig, die Religion ersinnen, leiten und verbreiten nötig. Tolkien ist kein NEU-Schöpfer einer Religion – da sind Kringel und Du durchaus präzise –, sondern im innigsten Sinne des Wortes ein Mystiker der katholischen Religion. Man muß sich halt ein wenig mit frühchristlichen Theologien auskennen, um das so sehen zu können.

Ich empfehle zur Vertiefung Peter Sloterdijks Buch »Sphären II – Globen (Makrosphärologie)« als Lektüre. Besonders die Einleitung »Geometrie im Ungeheueren – Das Projekt der metaphysischen Globalisierung« und Kapitel 4 »Der ontologische Kugelbeweis«. Kann man (mit ein wenig Willkühr) auch als großen Phantastik-Roman lesen.

Bleibt mir, zurückzufragen: mit welchen Selbstaussagen Tolkien's belegst Du Deine Ansicht?

Außerdem: was ginge denn für den LOTR-Leser zu Bruch, wenn man diese Autorenabsichten Tolkien's anerkennt? Man muß sich ja nicht daran halten, oder wird dadruch was verdorben?

Jeder Leser hat letztendlich die Freiheit, aus seiner Lektüreerfahrung zu machen, was er will.

(Zitat aus dem Kevin Costner-»Robin Hood«:
Kind im Waldlager der Merry Man fragt den von Morgan Freeman dargestellten Exoten: »Warum hast Du im Gesicht so komische Flecken?« {Schmucknarben}. Antwort: »Weil Gott die wunderbare Vielfalt liebt.«


Grüße
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Ungelesener Beitrag von molosovsky »

Ich Dummbeutel habe beim vorhergehenden Beitrag mein Einloggen versiebt. Tut mir leid, daß ich nun das Größte Ärgernis bei meinen Beiträgen, meine Vertipper, nun nicht mehr ausbessern kann.
MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV STAND: 30. JANUAR 2013.

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Ungelesener Beitrag von Kringel »

Jedenfalls drängt sich das religiöse Element dem Leser bei der Lektüre nicht unmittelbar auf. Es ist ganz einfach inhärenter Bestandteil der fiktiven Welt, von der Mittelerde ja nur ein kleiner Teil ist. Wenn ich den Roman oder eines der anderen Werke (insbesondere das Silmarillion) lese, habe ich nicht den Eindruck oder das Gefühl, daß da jemand versucht, mich zu irgend einem Glauben zu bekehren oder mir irgend eine Weltanschauung einzutrichtern.

Es ist ja lobenswert was der offensichtlich nicht eingeloggte molosovsky sich für Gedanken macht... aber derart in die Tiefe gehenden Interpretationen stehe ich generell misstrauisch gegenüber. Wer Freude daran hat, soll sich ruhig austoben, aber mir würden sie den Spaß am Roman verderben.

Übrigens: Seit ich den Roman im englischen Original gelesen habe, ist mir viel klarer als zuvor, welchen Stellenwert die Sprache für Tolkien wirklich hatte. DAS halte ich für das zweite zentrale Element des Werks neben der Erschaffung einer eigenständigen Sagenwelt, aber nicht die Religion.
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Judith Rauch

hdr

Ungelesener Beitrag von Judith Rauch »

Nun, ich habe offen zugegeben das ich die Bücher von Tolkien NICHT kenne, sondern nur die Filme. Darum kann ich auch nur den Film beurteilen, von dem ich zugegebenerweise nicht weiß wie nahe er dem Buch steht.

Dem Film nach zu schließen denke ich auch, das Tolkien keine neue Religion schaffen wollte. Die nächste Frage lautet für mich dann: Was wollte er sonst?
Und da fällt mir natürlich in erster Linie auch nur ein, das er eine schöne, bunte, phantastische Geschichte erzählen wollte. Etwas anderes kann ich, zumindest aus den Filmen, nicht herauslesen. Ich bezeichne das immer als weibliche Intuition.

Auch wenn es unverschämt klingt. Letzten Endes ist es völlig einerlei welche Intensionen Tolkien beim Schreiben der Bücher gehabt hat. Wichtig ist das, was die Menschen daraus für sich ziehen. Vielleicht gibt es ja wirklich einige Menschen für die dieses Buch eine Art Bibel ist, andere lesen es noch nicht einmal zu Ende, andere ziehen wer weiß was für Schlüsse aus dem Buch.

Es wäre ja nicht das erste Mal, wenn etwas, das zu einem völlig anderen Zweck konzipiert wurde, in Dimensionen abgleitet, die der Urheber nicht angestrebt hat. Wie heißt es doch in einem Lied: gut gemeint und schlecht gemacht ...

Ihr werdet wohl alle Recht haben mit dem was ihr in das Buch hinein- oder hinaus interpretiert. Egal wen ihr dabei zitiert.

Für die einen ist es ein Buch, für die anderen die längste Klopapierrolle der Welt. :D
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