George R.R. Martin (Hrsg.) – Wild Cards 6: Asse im Einsatz

Wild Cards: Asse im Einsatz

Heyne Verlag, TB 06/5606
ISBN 3-453-12665-3
Titel der Originalausgabe: »Wild Cards IV: Aces abroad«
aus dem Amerikanischen von Christian Jentzsch
Titelbild von Attila Boros
München, November 1997, 16.90 DM, 670 Seiten

1986 erschien unter der konzeptionellen Leitung von George R.R. Martin der erste WILD CARDS Roman. Eine klassische Shared World Geschichte, denn eine ganze Reihe von Autoren (u.a. Walter Jon Williams und Roger Zelazny) war an der Entwicklung beteiligt (die Idee selbst entstand aus einer Rollenspielgruppe…). Aber nicht nur das, denn auch jeder einzelne Roman wurde von mehreren Autoren geschrieben; jeder Autor trug seine eigenen Ideen und Charaktere bei, und trotzdem entstand eine zusammenhängende Geschichte ohne Brüche.

Auch der vierte WILD CARDS-Roman (der in der deutschen Ausgabe zur sechsten wurde), hält an dieser Tradition fest. Die Autoren waren diesmal Stephen Leigh, John J. Miller, Leanne C. Harper, Gail Gerstner-Miller, Walter Simons, Edward Bryant, Lewis Shiner, Victor W. Milan, Melinda M. Snodgrass und Michael Cassutt.

Im Jahre 1946 wurde ein außerirdisches Virus freigesetzt, das die menschliche DNA befällt und zu Mutationen führt. Meist stirbt der Erkrankte, wenige aber überleben entstellt, und werden so zu »Jokern«. Nur vereinzelt entfaltet das Virus eine positive Wirkung. Übermenschliche Kräfte und Fähigkeiten sind die Folge. »Golden Boy« Jack Braun z.B. erhält durch eine bioenergestisches Feld unheimliche Körperkräfte und wird unverletzlich, Hiram Worchester kann die Schwerkraft in begrenztem Maßstab kontrollieren und Croyd Crenson unterliegt alle paar Monate einer erneuten Mutation, die ein neues Aussehen und andere Fähigkeiten mit sich bringt… und das ist nur eine kleine Auswahl. Im Gegensatz zum klassischen Superhelden (aus den Comics) liegt der Schwerpunkt der Geschichten immer auf den Personen, ihren Emotionen und Schicksalen.

In »Asse im Einsatz« bricht im Jahre 1986 eine ausgewählte Delegation an amerikanischen Politikern, Assen und Jokern zu einer Weltreise auf, um die Auswirkungen des Virus im Ausland zu beobachten. In Mexico führen zwei Asse einen Aufstand der indianischen Urbevölkerung an, die die Joker als »Gotteskinder« verehrt, in Deutschland kommt es zu einem Zwischenfall mit der RAF (u.a. kommt hier ein Ass namens »Mackie Messer« vor…) und so weiter. In der dritten Welt leben viele der Joker in Slums mit schlechtester medizinischer Versorgung, andernorts werden sie sofort getötet.

Nach dem sehr dicht gewebten Vorgängerband (»Wilde Joker«, 06/5605) ist dieser Band zu Beginn eine Enttäuschung. Es werden mehr oder weniger zusammenhangslose Einzelgeschichten erzählt, die nur durch einen Erzählstrang um den Politiker Gregg Hartmann (der ein geheimes Ass ist) eine Verknüpfung erhalten. Gerade die ersten 300 Seiten geraten so etwas langatmig (eine Art Voodoo-Geschichte auf Haiti ist beinage unerträglich langweilig), bevor man in der zweiten Hälfte fast wieder das gewohnte Niveau erreicht. Hier widmen sich Lewis Shiner, Victor W. Milan und Melinda M. Snodgrass den bekannten Charakteren wieder etwas ausführlicher, und fügen ihnen neue, interessante Facetten bei.

Alles in allem fällt dieser Band (der ein Einzelroman ist) – auch durch seine Thematik – gegenüber seinen Vorgängern etwas ab. Die zukünftigen Romane der WILD CARDS-Serie versprechen aber eine Besserung…