Iain Banks – Träume vom Kanal

Träume vom Kanal

Heyne TB 06/5668
ISBN 3-453-12647-5
Titel der Originalausgabe: »Canal Dreams«
aus dem Englischen von Lutz Gräfe
Titelbild ist eine Collage von Jan Heineke
München Dezember 1997, 12.90 DM, 290 Seiten

Iain Banks schreibt hervorragende Science Fiction. Seine »Kultur«-Romane gehören für mich eindeutig zur Spitzenklasse des Genres, sind originell, intelligent und unterhaltsam. Wahrscheinlich verkaufen sie sich auch ganz gut. Da muß sich Wolfgang Jeschke wohl gedacht haben: Schauen wir doch mal, was wir noch an Banks-Rechten herumliegen haben, damit wir noch ein paar Mark extra machen können. Dagegen wäre auch nichts einzuwenden gewesen – wenn nicht mit dem vorliegenden Roman interessierte SF-Fans über den Tisch gezogen worden wären.

Die Story des Buches ist schnell erzählt. Hisako Onoda ist eine japanische Cellistin auf dem Wege zu einer Europa-Tournee. Da sie Angst vorm Fliegen hat, reist sie per Schiff. Aufgrund politischer Probleme und dem Angriff einer Rebellengruppe ist der Panamakanal jedoch unpassierbar und man wartet. In der ersten Hälfte des Buches vertreibt sich Onoda die Zeit mit Parties auf den wartenden Schiffen und einer Liasion mit einem Besatzungsmitglied. In der zweiten Hälfte überfallen Terroristen die Schiffe, nehmen alle als Geiseln, erschießen jeden, vergewaltigen Onoda mit Hingabe, diese befreit sich, greift sich in »Die Hard«-Manier jede erdenkliche Waffe, killt ein Dutzend Terroristen und versenkt einige Frachtschiffe. Das ist alles. Na klasse!

Abgesehen davon, daß dieser Roman mit dem Genre Science Fiction aber auch rein gar nichts zu tun hat – obwohl das Kürzel auf dem Einband gedruckt ist, ein klarer Fall von Etikettenschwindel -, ist er auch noch dumm, langweilig und im zweiten Teile nicht mehr als eine akribisch beschriebene Gewaltorgie. Für manche Leser mag der »blutige Alptraum von Gewalt, Terror und Krieg«, den der Klappentext anpreist, ja seinen Reiz haben, für mich war er schlicht abstoßend. Das Buch hat seine guten Momente: In einigen Rückblicken auf Onodas Karriere und in den Konversationen mit dem Chef der Terroristen, einem CIA-Agenten, der einen politischen Zwischenfall provozieren will, damit die USA einen Grund zum Einmarschieren haben. Das sind aber auch schon die wenigen guten Momente des vorliegenden Romans. Er hat keine politische Aussage – von dem üblichen CIA-bashing einmal abgesehen, das niemandem mehr hinter dem Ofen hervorlockt -, die Charaktere sind zu 90 % flach (und die Charakterisierung der Hauptperson erfüllt keinen nachvollziehbaren Zweck), die Handlung völlig irrelevanter Schwachsinn ohne ein Ziel (am Ende schwimmt die erschöpfte Protagonistin von einem brennenden Frachtschiff weg) und zum Schluß weiß der Leser nicht, was er mit diesem Werk nun eigentlich anfangen soll. Überzeugte SF-Fans haben es nach den ersten 20 Seiten sowieso in die Ecke gepfeffert, Banks-Freunde werden sich über diesen völlig überflüssigen Roman ihres Meisters nur noch ärgern.
Mein Tip: Finger weg!