Johan Harstad – Darlah

Johan Harstad – DarlahOT: »Darlah. 172 timer på månen«
Übersetzung aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs
dtv premium, 2010
Taschenbuch, 416 Seiten
Preis: 14,90 €
ISBN: 978-3-24777-1

Dieses Buch ist so unheimlich, wie es der Klappentext verspricht. Auch bei Lesern jenseits der 20, die nicht explizit das Zielpublikum sind, kann es für Gänsehaut sorgen. Trotzdem ließ mich die Lektüre etwas ratlos zurück. Vielleicht bin ich zu alt und sehne mich nach einem Happy-End? Vielleicht liegt es auch daran, dass ich kurz zuvor Frank Schätzings »Limit« gelesen habe, und sich eine Mondfahrt nun daran messen lassen muss?

Im Jahr 2000 beschließt die NASA die Mondfahrt wieder aufzunehmen. Um dieses Vorhaben zu verwirklichen, das jedoch einen ernsten und streng geheimen Hintergrund besitzt, den der Leser nur andeutungsweise erfährt, wird zu einem Trick gegriffen. Ein weltweites Preisausschreiben soll drei Jugendlichen ermöglichen, auf den Mond zu fliegen und dort auf einer Mondbasis aus den 70er Jahren, die bisher geheim gehalten wurde, mit erfahrenen Astronauten werbewirksam kleinere wissenschaftliche Untersuchungen durchzuführen. Ziel des Ganzen ist, die Welt wieder von der Mondfahrt zu begeistern und der NASA Geld zur Verfügung zu stellen, um eine weitere Mission zu ermöglichen mit dem eigentlichen, streng geheimen Auftrag – doch das darf die Öffentlichkeit nie erfahren…

Im Folgenden werden drei Schüler vorgestellt, die Jahre später, nämlich 2012, tatsächlich zum Mond fliegen werden. Wir lernen sie kennen, ihre Sorgen und Träume, und ihr Wunsch, bei dem Preisausschreiben zu gewinnen. Nur Mia aus Norwegen wird von ihren Eltern heimlich angemeldet und möchte gar nicht dorthin, wohingegen der Franzosen Antoine und die Japanerin Midori bewusst dieses scheinbar sichere Abenteuer eingehen wollen – aus Liebeskummer der eine, vom Wunsch getrieben, das konservative und einengende Japan zu verlassen, die andere. Mia, die heimliche Hauptfigur, hat eine Band und träumt von einer großen Karriere als Musikerin. So ist auch der Roman geprägt von Musiktiteln- und texten – so alter Bands wie den Talking Heads, die Mia allerdings für sich entdeckt hat und deren Musik sie auch auf den Mond begleiten wird.

Wie vorauszusehen ist die Mondexpedition alles andere als harmlos und wird immer mehr zu einem Wagnis, an dessen Ende Grauen und Tod warten. Doch bereits auf der Erde werden die Jugendlichen Zeugen von unerklärlichen Begebenheiten und Visionen – allerdings nur ein fahler Vorgeschmack auf das, was die drei und die Crew auf dem Mond erwartet, einem »gottlosen Ort«.

Wieso hinterlässt dieses Buch bei mir so einen ambivalenten Eindruck? Einmal die Ausgangssituation. Nach dem Challenger-Unglück, das auch kurz erwähnt wird, ist es höchst unwahrscheinlich, dass die NASA Jugendliche in den Orbit schickt, so verzweifelt sie auf der Suche nach finanzieller Unterstützung für eine weitere Mondexpedition auch sein mag. Außerdem stören mich Handlungsstränge, die nirgends wohin führen, sondern nur wohliges Schaudern verursachen sollen (so die Geschichte des Alzheimerpatienten und ehemaligen Mitarbeiter der NASA, der durch die umfassende Fernsehberichterstattung über den Mondhype plötzlich klare Momente hat, die Katastrophe aber natürlich nicht verhindern kann). Mia hat außerdem einen wahrscheinlich autistischen Bruder, der vielleicht mehr »wüsste«, aber diese Idee wird dann doch nicht weiterverfolgt (wenn man einen Brief in die Handlung einführt, sollte er auch irgendwann mal zu lesen sein). Und dass Mias Eltern nichts besseres zu tun haben, als ihre Tochter auf den Mond zu wünschen, damit sie es mal besser habe im Leben (denn danach stünden ihr alle Türen offen), ist doch sehr weit hergeholt.

Gelungen, wenn auch hart am Klischee, sind, wie ich finde, die Gedanken und Nöte der Jugendlichen. Die Wut auf die Eltern, der Wunsch, aus der Enge der Familie und der Heimat wegzukommen, die Trauer um die große Liebe – das ist einfühlsam erzählt und stimmig. Da stören auch die japanischen Gruselgeschichten nicht weiter, die sich durch das Buch ziehen (müssen), um auf das Ende vorzubereiten.

Hätte ich das Buch mit 14 oder 16 gelesen, hätte es mich sicher fasziniert. Die Jugendlichen, in denen man sich teilweise wieder finden kann, die spannend erzählte Geschichte mit ihren Gruseleffekten und Geheimnissen, deren Lösung ich kaum hätte abwarten können – ein echter Pageturner. Ob ich das Ende auch gut gefunden hätte? Vielleicht, denn als junger Mensch steht man immer kurz vor dem Weltuntergang und akzeptiert ihn eher als mit späteren Jahren. Man akzeptiert auch eher die logischen Fehler und das Ächzen im dramaturgischen Gebälk und liest mit wohligem Schauer darüber hinweg. Leider gelingt mir das heute nicht mehr. Aber trotz allem ist »Darlah« ein spannendes Buch, das man in einem Rutsch lesen und an dem man, wenn man sich gerne gruselt und das Buch nicht zu ernst nimmt, Spaß haben mag.

Noch zwei Anmerkungen: So viele Druckfehler (und selbst Namensverwechslungen) habe ich schon lange nicht mehr gesehen… Und etwas Positives: Gerade im Hinblick auf die Diskussion um das Buch »Axolotl Roadkill« ist es sehr schön, dass der Autor unter »Unwichtige Informationen« die Bücher und Filme erwähnt, die ihn bei seiner Arbeit inspiriert haben. Nicht, dass der kundige Leser die Assoziationen mit »Solaris« und anderen Klassikern nicht selbst gehabt hätte, aber trotzdem. Und die Fotos und Zeichnungen, die für einen Roman eher ungewöhnlich sind, haben definitiv ihren Charme.