Ronald M. Hahn & Horst Pukallus – Alptraumland

Alptraumland

Allgemeine Reihe 015, Blitz-Verlag
Originalausgabe 1999
Titelbild und Innenillustrationen: Markus Mayer
Windeck 1999/2001, 9,90 €, 173 Seiten

Auch wenn ihre Auflagen nicht amerikanische Dimensionen erreichen, kann man das Duo Hahn & Pukallus schon mit Larry Niven und Jerry Pournelle vergleichen: selten getrennt und in vielen Genres zu Hause, aber auch eigenständige Werke unterschiedlicher Stilrichtungen und seit vielen Jahren im Geschäft. Begonnen hat alles mit Perry Rhodan (auch wenn sie nie für die Serie geschrieben haben), nämlich mit der Studie „Imperium Rhodanum“, in der sich die streitbaren politischen Science Fiction-Jungfans zu Beginn der siebziger Jahre mit dem Phänomen der größten Weltraumserie aller Zeiten auseinandergesetzt haben.

Ronald Hahn wurde 1948 in Wuppertal geboren und ist seit den siebziger Jahre unter anderem als Herausgeber der Science Fiction Times, freischaffender Autor und Übersetzer und vor allem als geschätzter Herausgeber der Fischer Orbit Reihe (1972-1974) und der schwarzen Ullstein Science Fiction-Reihe (1982 bis 1988) tätig gewesen. Auch die bei Heyne erschienen Auswahlbände aus dem „Magazine of Fantasy and Science Fiction“ betreute er. Daneben schrieb er aber auch an verschiedenen Heftserien wie Raumschiff Promet (ebenfalls Blitz-Verlag als überarbeitete Neuauflage), Commander Scott und Die Terranauten mit. Insgesamt sechsmal erhielt er den Kurd Laßwitz-Preis, u.a. anderem einmal als bester Übersetzer. Und hier läßt sich der Bogen zu Horst Pukallus schlagen, denn dieser erhielt auch mehrmals als bester Übersetzer diesen Preis, schrieb ebenfalls bei den Terranauten und der Commander Scott-Reihe mit und veröffentlichte u.a. anderem mit Andreas Brandhorst und alleine mehrere Romane und Storysammlungen im Ullstein-Verlag (zu der Hahn’schen Ära). Geboren im Jahre 1949 in Düsseldorf zeichnen sich Pukallus Texte, genau wie viele der Kurzgeschichten Hahns, durch ihre satirischen Elemente aus.
Gemeinsam schreiben sie für den Blitz-Verlag die Serie »T.N.T. Smith – Jäger der Unsterblichen«, in der ein britischer Journalist einer Gruppe unsterblicher Fremdenlegionäre auf der Spur ist und genauso wie ihr neuster Roman »Wo keine Sonne scheint« in einer Art Parallelwelt spielt.

»Alptraumland« ist eine Hommage an die gruseligen Werke H.P. Lovecrafts und welche Art der Würdigung wäre besser, als den schüchternen, weltfremden, seiner Mutter treu ergebenen Lovecraft selbst ein unheimliches Abenteuer erleben zu lassen und es seinen Lesern in Form von Briefen, Interviews und schließlich Tagebuchausschnitten des Roderick Ashtons näher zu bringen. Lovecraft wird im April 1923 zu Beginn seiner eignen schriftstellerischen Karriere von seinem Freund Roderick Ashton gebeten, zu ihm nach Schottland zu reisen und ihm dort bei der Aufklärung geheimnisvoller Vorgänge im ererbten Schloß zu helfen. Anscheinend hatten Ashtons Vorfahren einen sehr schlechten Ruf und es gab Gerüchte, daß sie Mitglieder eines geheimnisvollen Kultes waren. Bei der Durchsuchung des Schlosses stößt er im Keller auf das Skelett eines lange vermißten Mädchens, die Bibliothek enthält nur Bücher der schwarzen Magie und schließlich wird Ashtons Leben bedroht. Auch quälen ihn Alpträume. Lovecraft selbst sieht den bezahlten Trip ins englische Mutterland als Möglichkeit neue Ideen zu sammeln und mit einem seiner Vorbilder (dem größten Detektiv aller Zeiten) zusammenzutreffen. Natürlich ahnt er nicht, daß die Vorgänge im Schloß einen nicht unerheblichen Einfluß auf sein Leben und seine späteren Werke haben werden…

Im Gegensatz zu z.B. »Die Temponauten«, der über weite Strecken eine literarische Erneuerung eines alten Jack London Romans mit einem entsprechenden Science Fiction-Einschlag darstellt (und dabei auf das große Hobby Hahns verweist, nämlich das Leben und Werk Jack Londons) ist „Alptraumland“ eine spielerische Auseinandersetzung mit Lovecraft und seinem Werk. Mit kurzen prägnanten Skizzen entwerfen die beiden atmosphärisch dicht ihre Handlung. Sie fügen fiktive und historische Figuren hinzu und spielen mit ihnen. Die Grundlagen sind die Klischees der alten Pulp Horror Geschichten, nicht mehr und nicht weniger. Wer einen großangelegten Horrorroman erwartet, der wird enttäuscht. Das wollen die beiden auch. Wer sich vergnüglich zurücklehnt und sich von den historischen Figuren auf eine Reise durch das nebelige Schottland mit seinen vielen alten Herrensitzen und abergläubischen, aber im Grunde ehrlichen und freundlichen Menschen mitnehmen lassen möchte, der wird unglaublich gut unterhalten. Besonderen Reiz erhält die vielleicht zu dünne Handlung durch die drei Erzählebenen (Briefe von Lovecraft, Interviews mit den beteiligten Personen durch die Polizei und das Tagebuch Ashtons), denn die unterschiedlichen Perspektiven lassen viele der realen und irrealen Ereignisse immer wieder im anderen Licht erscheinen und geben dem Leser im Verlaufe der Handlung die Möglichkeit, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Ist Ashton wirklich ein Opfer seiner Umgebung oder versuchen Mächte des Dunkeln sich seines Verstandes zu bedienen? Sucht Lovecraft in diesen Ereignissen Grundlagen für seine düstere Phantasie oder sind seine vielen Geschichten wirkliche Berichte aus einer Parallelwelt?

Kurzweilig und unterhaltsam präsentiert sich „Alptraumland“, stilistisch sehr sorgfältig ausgearbeitet mit Liebe zu historischen Details. Vielleicht ein bißchen mehr Handlung hätte dem Buch gutgetan, aber in vielen Kurzgeschichten und Erzählungen Lovecrafts besiegt die Atmosphäre auch die Ereignisse und warum sollte die Hommage in dieser Hinsicht die Originale übertreffen?