David Foster Wallace (1962-2008)

David Foster Wallace, (c) Steve Rhodes

Die US-Literaturszene steht unter Schock: David Foster Wallace, einer der angesehensten amerikanischen Autoren seiner Generation, ist tot. Er wurde am Freitag dem 12.9. von seiner Frau aufgefunden. Foster, der seit über zwanzig Jahren unter Depressionen litt, hatte sich erhängt. Mit ihm verliert die amerikanischen Literatur einen ihrer sprachmächtigsten, virtuosesten und radikalsten Schriftsteller, der mit gerade 46 Jahr den Gipfel seiner Schaffenskraft wahrscheinlich noch gar nicht erreicht hatte. Seine Bewunderer – darunter so bekannte Kollegen wie Jonathan Franzen und Richard Powers – sind sich einig, daß die zeitgenössische Literatur der USA nicht mehr dieselbe sein wird ohne ihn.

Wallace wurde 1962 in Ithaca, New York, geboren. Als Heranwachsender war er einer der talentiertesten Tennisspieler in den USA und nah daran, eine Profikarriere einzuschlagen (dem Sport blieb er auch als Autor verbunden – seine Artikel über den Schweizer Tennisspieler Roger Federer gehören zu den Klassikern des zeitgenössischen Sportjournalismus). Er studierte Englisch und Philosophie am Amherst College und schloß in beiden Fächern mit summa cum laude ab. Der Stoff seiner Englischarbeit lieferte die Grundlage für seinen ersten Roman »The Broom of the System« (1987, »Der Besen im System«), der ihn landesweit bekannt machte. Sein SF-naher Roman »Infinite Jest«, der seinen Ruhm begründete, erschien 1996 und gilt als einer der Meilensteine des modernen amerikanischen Romans, der in einem Atemzug mit Gaddis‘ »The Recognitions« oder Pynchons »Gravity’s Rainbow« genannt wird, ein über 1.000-seitiges, in naher Zukunft angesiedeltes, überbordend komplexes Buch, das einige von Wallaces Lieblingsthemen – Depression und Drogensucht, verquere Familienbeziehungen, Massenmedien und Unterhaltungsindustrie – behandelt. Seit »Infinite Jest« veröffentlichte Wallace keinen Roman mehr, dafür zahlreiche Artikel und Kurzgeschichten in Periodika wie Playboy, Harper’s Magazine, Esquire und The New Yorker, mehrere Story- und Essaybände und ein Buch über den deutschen Mathematiker Georg Cantor.

Wallace war ein geradezu besessener, seine Leser oft bis an die Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit fordernder Sprachvirtuose. Den Techniken des postmodernen Romans, die von Pionieren wie Gaddis, Barth, Pynchon, De Lillo u.a. entwickelt wurden – Ironie, Anspielungen an Hoch- und Popkultur, parodistische Gelehrsamkeit etc. – hat er noch eins draufgesetzt. Wie wenige andere verstand er es, Leerläufe, Geschwätz und modische Verwirrungen in der Denk- und Redeweise diverser Subkulturen – Psychotherapie, Werbung, Medien -parodistisch zu überhöhen und damit zu entlarven. Sein Markenzeichen war die Verwendung eines üppigen Fußnoten- und Anmerkungsapparats in seinen eigenen Werken – in »Infinite Jest« mehr als 100 Seiten -, womit er lineare Erzählstrukturen aufbrach und konterkarierte.

Sein Hauptwerk »Infinite Jest« liegt noch nicht auf deutsch vor. Wie aus Verlagskreisen zu hören, ist eine Übersetzung seit mehreren Jahren in Arbeit und soll 2009 erscheinen. In Deutschland wurde er vor allem durch seine in mehreren Bänden gesammelten Kurzgeschichten (»Kleines Mädchen mit komischen Haaren«, »Kurze Interviews mit fiesen Männern«, »In alter Vertrautheit, Vergessenheit«, alle bei Kiepenheuer & Witsch) sowie die ebenso spaßige wie bitterböse Reportage »Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich« bekannt, worin eine Karibik-Kreuzfahrt zum Spiegelbild einer außer Rand und Band geratenen Spaßgesellschaft wird.

Eine gute Einführung in sein Werk findet sich auf der (Fan)Website: http://www.davidfosterwallace.com

Quelle: Michael K. Iwoleit