Die Ultimativen

Historie
Mit seinen neuen Comicserien „Fantastischen Vier“, der „Hulk“, „Spider-Man“, „Iron Man“ und „Thor“ schrieb der amerikanische Verlag Marvel Anfang der Sechziger Jahre Comicgeschichte. Der Erfolg war so groß, daß die Leser immer noch mehr von ihren Lieblingshelden lesen wollten. So entstand das Konzept einer neuen Serie, die die Abenteuer eines Superhelden-Teams erzählen sollte. Neu war diese Idee damals beileibe nicht, denn bei der Konkurrenz DC gab es schon viel früher ähnliche Teams (die „Justice Society of America“, oder später die „Justice League of America“). Aber warum sollte man bei Marvel nicht auch so etwas versuchen?

Die Gründung der Rächer, (c) Marvel

Die Gründung der Rächer im Jahre 1963

So erfand Stan Lee schließlich für Marvel die „Rächer“, die ihren ersten Auftritt im September 1963 hatten. Um den Hulk, der unter dem Einfluß Lokis zu einer Gefahr geworden war, zu stoppen, fanden sich die Helden Iron Man, Thor, Ant-Man und die Wasp zusammen, um gemeinsam das gefährliche grüne Monster zu überwältigen. Die Rächer waren enstanden! Schon drei Hefte später stieß der Superheld zum Team, der später zur Leitfigur aller nachfolgender Rächer werden sollte: Captain America, der Supersoldat, der lange Zeit verschollen war.

Man kann übrigens die ersten 10 Comichefte der „Rächer“ gesammelt im Marvel Klassikband Nr. 5 nachlesen. Wer allerdings nur die heutigen Comics gewohnt ist, wird zwangsläufig enttäuscht sein. Die Comics waren für Kinder und Jugendliche gedacht und die Geschichten sind deshalb oft banal und geradezu lächerlich simpel gestrickt. Aber die Serie hielt sich trotzdem in der Lesergunst, wurde rasanter und komplexer und erscheint noch heute.

Das Ultimative Universum

Zur Überraschung vieler Comickritiker erwies sich das Ende der Neunziger bei Marvel zusätzlich zu den normalen Serien gestartete „Ultimative Universum“ als kommerziell sehr erfolgreich. Joe Quesada und Bill Jemas von Marvel hatten ihre Idee, das Marvel-Universum von Grund auf zu erneuern, in die Hände von jungen Autoren wie Brian Michael Bendis und Mark Millas gelegt und diese schafften es, den bekannten Helden einen neuen Start in ein neues Jahrtausend zu ermöglichen. Nach dem Erfolg des „Ultimativen Spider-Man“ und der „Ultimativen X-Men“ war es deshalb abzusehen, daß irgendwann auch die Rächer ihren Platz in diesem neuen, realistischeren Universum finden würden.

(c) Marvel

Die Welt der „Ultimativen“, wie die Rächer im „Ultimaten Universum“ heißen, sollte nach dem Wunsch des Autors Mark Millar so real wie möglich aussehen. Deshalb drängte er die Verantwortlichen darauf, unbedingt mit dem Zeichner Bryan Hitch zusammenarbeiten zu dürfen, da er nur diesen für geeignet hielt, den gewünschten Realismus der Serie perfekt aufs Papier zu bringen.

Nick Fury, (c) Marvel

Der ultimative Nick Fury

In einem Interview sprach Millar davon, daß er vermeiden wollte, daß die Serie wie eine billige Fernsehproduktion wirke. Mit Hitch als Zeichner sei es hingegen möglich, die Comics wie eine teure Kinoproduktion aussehen zu lassen. Ein interessanter Vergleich, wenn man bedenkt, daß z.B. eindeutig Samuel L. Jackson das Vorbild für das Aussehen des neuen Colonel Nick Fury war. Und in der Tat fühlt man sich Dank der rasanten Geschichten Millars und der schier unglaublichen Zeichnungen von Hitch wie in einem Hollywood-Blockbuster. Hitchs Bilder wirken wie Screenshots aus einem atemberaubenden Actionfilm, gegen den selbst „Matrix“ blaß aussehen würde…

Eine interessante Bemerkung am Rande sei dabei gestattet: Sowohl Zeichner Bryan Hitch, als auch Autor Mark Millar waren bereits für die bekannte Comicserie „The Authority“ tätig (wenn auch nicht zur selben Zeit), die sich ebenfalls durch eine härtere Gangart und hohen Realismus auszeichnete.

Die Ultimativen

Die Ultimativen, (c) Marvel Deutschland

Die „Ultimativen“ von Millar und Hitch wurden auch in Deutschland zu einem Verkaufsschlager (die Hefte 2 bis 4 sind längst ausverkauft). Grund genug für Marvel Deutschland noch einmal die ersten drei deutschen Ausgaben gesammelt als Band 4 der Reihe „Best of Marvel“ auf den Markt zu bringen.

Im Ultimativen Universum ist alles ein wenig anders, als man es von den „Rächern“ kennt. Dr. Bruce Banner (der auch hier der Hulk ist) arbeitet für SHIELD an einer Neuauflage des Super-Soldaten-Serums, das einst zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs aus dem eher schwächlichen Freiwilligen Steve Rogers den perfekten Soldaten Captain America machte. Doch jener Captain America verschwand leider, wie man im ersten Heft miterleben kann, 1945 bei einem Verzweiflungsangriff auf eine deutsche Atomraketenanlage…

Ein Blick ins Comic, (c) Marvel

In der Welt der Ultimativen ist Tony Stark zwar auch ein Milliardär, doch jeder Mensch weiß hier, daß er in der stählernen Kampfrüstung namens Iron Man steckt. Thor, der sich als Sohn Odins vor allem für Umweltschutz und soziale Belange einsetzt, ist erst bereit, dem Team beizutreten, als Präsident Bush persönlich den amerikanischen Etat für die Entwicklungshilfe verdoppelt. Und dann ist da natürlich auch noch das seltsame Ehepaar Pym, bestehend aus dem Forscher Hank Pym (Giant-Man) und seiner asiatischen Frau Janet, der Wasp. Ihre Ehe ist weniger harmonisch, als es vielleicht auf den ersten Blick erscheinen mag.

In diesem Sammelband erleben wir vor allem erst einmal die Entstehung des ultimativen Superhelden-Teams. Denn im Gegensatz zu den „Rächern“ sind die „Ultimativen“ kein selbstloser Zusammenschluß ehrenhafter Kämpfer, sondern ein der USA unterstelltes und von SHIELD geführtes militärisches Einsatzteam, das die Erde vor unerwarteten Gefahren beschützen soll… so es diese Art von Bedrohungen überhaupt gibt. Da sich die Serie wie schon erwähnt um hohen Realismus bemüht, dürfte es deshalb auch klar sein, daß z.B. ein Kampf der Ultimativen gegen den amoklaufenden Hulk mitten in New York viele Todesopfer fordert und die Aufnahmen davon schon Tage später erfolgreich auf DVD vermarktet werden!

„Die Ultimativen“ bieten in der Tat fast das ultimative Leseerlebnis. Da paßt es gut, daß dieser Sammelband auch Nachzüglern die einmalige Chance bietet, einen Blick in die Zukunft des Superhelden-Genres zu werfen! Eine Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

© Florian Breitsameter (Text), Marvel Comics (Bild)