Lexx – The Dark Zone: Episode 1 »Worship His Shadow«

Star Trek: TNG hatte einst (Mitte der 80er) den ungemeinen Vorteil die einzig aktuelle SF-Serie im TV zu sein, die Ansprüche an Stories, Darsteller, Regie und Tricks auf einem gewissen, ansprechenden Niveau bediente. Gerne nahm der SF-Fan die Anlaufschwächen, speziell der ersten Season, in Kauf, ging es doch darum das grüne Pflänzchen Hoffnung (auf Besseres!) zu hegen. Kein Zweifel, die stete Steigerung der Qualität, wie der Resonanz, führte schlußendlich mit zur derzeitigen Medienpräsenz der SF (in den verschiedensten Ausprägungen).

Lexx - The Dark Zone

Pech für die Herren im ST-Universum ist inzwischen allerdings, daß die vermehrte Konkurrenz auch zum direkten Vergleich genügend Anlaß gibt. Wo in anderen Serien plötzlich erhöhter Wert auf haarfeine Darstellung, pointiertes Streitgespräch und durchdachte Charakterentwicklung gelegt wird (X-Files, BAB5), tut sich Paramount mit undurchdachten Action-Cocktails (FIRST CONTACT) und schablonisiertem Figurenrecycling (VOYAGER) erheblich schwerer. Der einstige Pioniernimbus geht dabei für ST schnell verloren und es obliegt anderen Serienkonzepten für den frischen Wind im Genre-TV zu sorgen.

»Was bist du nur für ein Roboter?!«
»Einer, der gerne in deinen Schlüpfer schlüpfen würde.«

Konkret nachgefragt: Kann sich irgendwer vorstellen, im ach so sauber aufgeräumten ST-Universum je einen Satz wie den obigen vom Schlüpfer zu hören?! Eben!

Ansonsten – mehr bis minder schlecht abgekurbelte X-Files-Epigonen schwemmen zur Zeit über fast alle Programme; und so tut es erfrischend gut – speziell in der BAB5-»Sommerpause« (die ja bereits mit den letzten Ausläufern des Winters einsetzte!) – eine SF-Serie frischerer Art präsentiert zu bekommen. Es geht um die Macht zum Bösen, Sex, Chaos, Gewalt und die Macht zum Guten – versammelt in LEXX.

Kai
Stanley Tweedle
Zev von B3K

Die Brunnen G glauben die Weisheit der Zeitlosen Prophetin hinter sich. Sie sagte voraus, daß die Schwarze Garde von Brunnen G vernichtet werden würde. Und so werfen sich sechs Kämpfer dem Spinnenschiff Seines Schattens, das den Heimatplaneten großflächig verwüstet, entgegen. Die Jagdskorpione werden von Kai (Michael McManus) befehligt und mit dem alten Lied auf den Lippen stürzen seine Gefährten und er sich auf die tödliche Bedrohung. Doch der erste Schlag mißlingt und Kai sieht den Planeten brennen und seine Zivilisation vergehen. Um die Prophezeiung doch noch zu erfüllen, stürzt er sich entschlossen auf das Kommandoauge, um zumindest den dunklen Tyrannen vernichten zu können. Aber die Zeitlose Prophetin scheint in allem falsch gesprochen zu haben. Sein Schatten überlebt auch diesen Verzweiflungsangriff und mit höhnenden Worten rammt er dem letzten der Brunnen G den Dolch ins Herz – »Heute ist der Tag, an dem ich sterbe!«.

2008 dunkle Jahre nach diesem Tag:
Vom düsteren Cluster aus beherrscht Sein Schatten die Liga der 20.000 Planeten mit eiserner Hand. Jeder, der innerhalb dieses Reichs nicht zur vollsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten funktioniert, kommt vor ein automatisiertes Schnellgericht.

Wachmann 4. Klasse Stanley Tweedle (Brian Downey) versucht seine Schicht indes wieder mit Schrauben-Weitwurf aufzuwerten, als unerwartet ein Gefangenenschiff zu seinem Hangar umgeleitet wird. Wohl, weil dies in seiner bisherigen Karriere auf Cluster noch nie vorgekommen ist, gerät Tweedle in einen Kompetenzenstreit mit der Kommandantin des Schiffs. Obwohl er sich auf eine alte Vorschrift beruft, hat Stanley einen Fehler begangen (einem Vorgesetzten zuwider gehandelt) und wird vom Dienstaufseher zur Selbsteinlieferung verdonnert. Bei den fast tausend Strafpunkten, die sich auf seinem Konto angesammelt haben, keine angenehme Vorstellung. Schließlich kommen Sünder in seiner Lage nicht unter einer „freiwilligen“ Spende von drei Organen (Auge, Niere, Hoden) davon. Normal wäre dagegen eine unkomplizierte Amputation. Kein guter Tag für Stanley.

Zev von B3K (Eva Habermann) hegt für „ihren Tag“ nur noch den Wunsch in der Proteinbank „verwurstet“ zu werden. Vorlaut, aufbegehrend und impulsiv zu sein in einem Glaubensimperium, das nur die Unterordnung und Demut für lebenswert erachtet, läßt selten das Gefühl aufkommen dazuzugehören. Wenn frau dann auch noch der äußerlichen Norm nicht entspricht (Zev von B3K bringt es gerne auf 200 kg), ist es besonders schwer dem gesellschaftlichen Druck und den Ansprüchen des knäblichen Bräutigams zu entsprechen. Die knallharte Rechte direkt in die Fresse war Zevs letzte Antwort auf seine Beleidigungen. Jetzt hängt sie – zusammen mit der restlichen Ladung Gefangener – vor dem holographischen Gericht der „göttlichen Erhabenheit Seines Schatten“. Ihr „Verteidiger“ (seit tausend Jahren zu Staub verwest) räumt bereits vor Verlesung der Anklagepunkte ein restloses Geständnis und aufrichtige Reue seiner Mandantin ein, „wissend“ daß im Namen seiner „göttliche Präsenz“ ein zutiefst gerechtes Urteil gefällt werden wird. Dem Hologramm der Anklägerin bleibt gerade die Laufzeit, um zu verkünden, daß sich Zev von B3K der „Verweigerung ehelicher Pflichten“ (!) und der „öffentlichen Erniedrigung ihres geliebten Bräutigams im ehrwürdigen Tempel Seines Schatten“ schuldig gemacht hat, bevor der Richter sein Urteil verkündet: „Zev von B3K wird nach erfolgter Umwandlung zur stets willigen Lustsklavin konditioniert“. Ächzend fährt ihre Transportplatte in Schienenrichtung Transformator.

Mit Thodin vom Ostrol BePah (Barry Bostwick) – Aufrührer, Verwirrer der Gläubigen und ordinärer Pirat – verlagert sich die Prozeßfarce in die höhergelegene Arena, wo hunderttausende von Anhängern Seines Schatten eine ordentlich blutige Zerfleischung erwarten – durchgeführt von den stets beliebten Clusterechsen. Aber Thodin ist in diesen Hexenkessel nicht ohne Trumpf im Nasenflügel gegangen; ein Libellenrobot schält sich dort heraus und macht sich auf den Weg das richtige Kabel zu finden. „Bomber sucht, Thodin!“.

Inzwischen geht es Seinem Schatten nicht sonderlich. Die Mönchsambulanz fetzt mit dem röchelnden Geriokrat zur vorbereiteten Zeremonie, um seine „Göttlichkeit“ an den neuen Körper zu übergeben. Jung, kräftig, aber mit Rückständen im nicht akkurat zweimal gereinigten Gehirn. Eine fatale Nachlässigkeit, denn nachdem der neue Sein Schatten die Insignien seiner totalen Macht erhalten hat, offenbart er den Vorschatten – die lebenden Gehirne all seiner Vorgänger im Amt – , daß er eigene Pläne habe und bereit ist ein halbes Universum dafür zu entvölkern. Die Macht dazu besitzt Sein Schatten – mit der LEXX.

Die Ereignisse überstürzen sich aber auch anderorts: Stanley Tweedle hat es, dank seines ewigen Zauderns, geschafft auf die Suchliste zur völligen Entkörperung (Resteverwertung!) zu kommen und versucht unerkannt von einem Gang in den nächsten zu flüchten. Thodins Robotbombe ist es schlußendlich doch gelungen einen ordentlichen Kabelbrand zu installieren, der die an sich schon altersschwachen Holoprogramme zum flachtrudeln bringt. Dank richterlichen Spruchs und priesterlicher Auszeichnung ist Thodin von Ostral BePah von einem Gedanken zum nächsten „Hüter der wahren Lehre“ und frei, während sich ebenso frei herumrollende Clusterechsen an Eliteschülern und gläubigen Anhängern laben. In der Arena herrscht blutiges Chaos. Ein glücklicher Umstand auch für Zev, die zwar körperlich zur Vollkommenheit in weiblicher Form transformiert ist, es aber dem Besuch einer Echse verdankt, daß die Konditionierung zur Lustsklavin nicht an ihr vollführt wird; 790Android 790 – besser der Kopf, den die gefräßige Echse übrig ließ, bevor sie ihr Leben im Transformator auslöschte – erhält eine volle Dosis, erwacht zu neuem Leben und ist Zev vom ersten Blick an hörig verfallen. Zev hat dafür einige „Charakterzüge“ der verendeten Echse. Geplant oder zufällig bewegen sich nun alle Flüchtenden auf die LEXX zu.

Sein Schatten hat zwischenzeitlich den Entschluß gefaßt den Zentralplaneten an Bord dieses Schiffs zu verlassen – zusammen mit den Vorschatten. Sehr zu deren Hysterie, denn die alte Prophezeiung der Zeitlosen Prophetin besagt, daß der Tod über sie kommen wird, wenn sie einmal nicht auf dem Cluster weilen. Doch Sein Schatten hat sich dazu entschlossen Prophezeiungen keinen Glauben mehr zu schenken. Er sieht die Zeit linear und nicht als Kreis sich stetig wiederholender Ereignisse. Um dieses Schicksal herauszufordern, erlaubt es der Tyrann nicht nur dem Trupp Flüchtender unbehelligt zur LEXX vorzudringen. Nein, er reaktiviert auch wieder den Letzten der Brunnen G, Kai, den die Vorschatten der letzten 2000 Jahre stets als willenlosen, unbesiegbaren Meuchelmörder einsetzten („Ich tötete Philosophen und Narren, Tapfere Männer und Feiglinge. Ich tötete auch schöne Frauen und Mütter mit ihren Kindern. Und ich tötete immer ohne Gnade.“). Sein Schatten strebt mit dieser ultimaten Provokation auch die absolute Macht über das Schicksal an. Nichts weniger.

Gewissermaßen amüsiert hat es mich, in diversen Besprechungen zu LEXX – THE DARK ZONE davon zu lesen, daß der Pilotfilm „Worship His Shadow“ den Betrachter gelegentlich überfordern würde, was die Fülle an Hintergrund und Handlung angeht. Das mag vielleicht daran liegen, daß ich nicht der Sicht anhänge mich beim TV einzig berieseln lassen zu wollen; Unterhaltung um der Unterhaltung willen. Nein! Ich bin durchaus bereit meine grauen Zellen anzufahren, zu kombinieren und aus Andeutungen Rückschlüsse zu ziehen. Wozu steckt da sonst ein Ding zwischen unseren Ohren!?

Einfachen Strickmustern in einem Film kann auch ein Kindskopf folgen; aber sind es nicht die stetig wiederkehrenden Klagen darüber, daß viele SF-Billigserien diese Klischees verbraten, die an das belächelte Image der SF erinnern?! Wird ein Szenario aber etwas komplexer, vor allem abseits dieser Klischees, oder zumindest damit spielend, gestaltet, beklagt sich sogleich jeder zweite, er müsse da auch noch mitdenken (!). Wie hätten wir es dann gern? Eingeblendete Untertitel, die eine Szene und deren Dialoge simultan erklären…?

Die Lexx
„Worship His Shadow“ beginnt fast poetisch, wenn sich vor farbigem Sternenhintergrund ein Raumschiff dreht und eine Stimme aus dem Off den Prolog spricht. Stimmungsreich bleibt es auch noch, wie der Gesang der Brunnen G einsetzt und der Zuschauer den anfliegenden Schiffen entgegenblickt. Doch die kalte Realität krallt sich mit dem ersten Schuß des schwarzen Schiffes auf die Planetenoberfläche in dieses Szenario. Noch sind die sechs Brunnen G zuversichtlich, daß das Schicksal auf ihrer Seite sein wird. Aber mit jedem Schuß, mit dem die Heimat im Feuer vergeht, macht sich Verzweiflung, Trauer und Wut breit. Ein klassisches Zitat der Ohnmacht gegenüber omnipotenter Gewalt. Die Kunst ist es eben hinter (!) die Bilder zu sehen und nicht an der Oberfläche zu kleben.

So kommt es auch nicht von ungefähr, daß mir die Zerrissenheit Kais – vom edlen Held zum willenlosen Werkzeug und wieder zurück zur eigenen Identität – am besten gefällt. Ein Umstand, der aber auch mit Michael McManus´ überzeugendem Spiel und der ansprechenden Wahl seiner deutschen Synchronstimme (Fox Mulder läßt grüßen) zusammenhängt. Die Präsenz der Figur ist komplett und findet ihren entsprechenden Gegenpart in der Figur Seines Schatten.

Befürchtungen der üblichen Art hatte ich für die weibliche Hauptfigur. Immerhin bestand eine gewaltig hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß bei Zev gehörig in männerphantastenen Klischees gebadet würde. Doch ich wurde netterweise enttäuscht, denn Zev ist eine lautstarke (s. Clusterechsen!) Amazone, die ihrer weiblichen Erotik keine Zügel anlegt (in der Szene zwischen ihr und Stanley knistert es förmlich). Eva Habermann gelingt diese ausgesprochene Gratwanderung in überzeugender Manier.

Stanley Tweedle, der vom Schicksal herumgestoßene Ex-Rebell, Ex-Verräter und jetzt Ex-Wachmann (4. Klasse), der es mitzuverantworten hat, daß Sein Schatten u.a. ein Vernichtungsschiff wie die LEXX bauen konnte, scheint direkt einer tragischen Komödie entlehnt. Der unscheinbare Mensch, dem große Mächte das Leben versauen und ihn für die Konsequenzen ihrer Spielchen mitverantwortlich machen. Brian Downey gelingt eine Vorstellung deren Witz für die Schwärzung des Humors verantwortlich ist. Urkomisch die Szene, in der Stanley von einem Strafbeamten in Erfahrung bringt, welches Strafmaß er zu erwarten hätte.

Der „Pilotfilm“ besticht in summa also durch seine detailliert ausgearbeitete Story, seine engagiert gezeichneten und dargestellten Figuren, seine düstere Atmosphäre (wenn auch innerhalb der LEXX dem Pappmache-Charme Tribut gezollt werden muß!), seine Musik, wie die Tricks aus dem Computer (was Qualität und Inhalte angeht läßt BAB5 grüßen). LEXX – THE DARK ZONE macht in der tat Lust auf die weiteren drei Folgen. Was widerfährt der vierköpfigen LEXX-Crew alles in der Dark Zone, die selbst Sein Schatten fürchtet? Gibt es eine Zukunft für Zev und Kai, dem 2000jährigen Toten? Und was erwartet uns zum Finale mit Sein Schatten?
Eins sicher nicht: Subraumanomalien…!

© Robert Musa (Text), VOX (Bildmaterial)

LEXX – THE DARK ZONE 1 »Worship His Shadow«
Can/BRD ´96/97
90 Minuten
Regie: Paul Donovan
Buch: Paul Donovan, Lex Gigeroff, Jeffrey Hirschfeld
Darsteller: Michael McManus, Eva Habermann, Brian Downey, Barry Bostwick, Ellen Dubin u.a.
Erstaustrahlung 4. Mai 1997

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