Filmkritik: »District 9« (2009)

Vor über 20 Jahren erschien ein riesiges Raumschiff über Johannisburg. Die überraschte Menschheit rechnete mit einem feindlichen Angriff oder einem gigantischen technologischen Fortschritt. Nichts dergleichen geschah. Als die ersten Rettungsmannschaften in das Raumschiff eindrangen, wurde schnell klar, dass die Außerirdischen in einem erbärmlichen Gesundheitszustand waren und selbst Hilfe brauchten. Aus diesem Grund wurden sie vor Ort in einem Notauffanglager interniert – im DISTRICT 9.

Bis heute hat sich an der Situation wenig geändert. Noch immer leben die Außerirdischen, die verächtlich »Prawns« (Garnelen) genannt werden, unter erbärmlichen Bedingungen in ihrem streng bewachten Ghetto. Doch nun soll District 9 geräumt und die Außerirdischen in ein neues Camp umgesiedelt werden, um Platz für ein neues Wohngebiet zu schaffen. Ausgerechnet der gerade erst beförderte MNU-Angestellte Wikus van der Merwe (Sharlto Copley) bekommt die Aufgabe übertragen, die Räumung des Geländes zu beaufsichtigen. Doch beim Besuch des Camps geht etwas schief und Wikus van der Merwe wird plötzlich zum Gejagten, der nur noch an einem Ort Zuflucht finden kann: im District 9…!

Szenenfoto District 9Szenenfoto District 9Szenenfoto District 9Szenenfoto District 9

Natürlich ist es äußerst naheliegend, bei diesem Film an die Apartheidspolitik in Südafrika zu denken. Der Trailer greift dieses Thema bewusst auf und die Kinoposter zum Film sind auch darauf abgestimmt. Klar, wenn man Außerirdische in Südafrika in ein Ghetto packt und sie dort in vergammelten Wellblechhütten hausen lässt, dann drängt sich der Vergleich durchaus auf. »District 9« fängt aber mit dieser Idee nur an und führt die Handlung dann schnell weiter: die Hauptfigur Wikus van der Merwe, genial gespielt von Sharlto Copley, wird nämlich bei seinem Einsatz gnadenlos mit der Realität des Ghettos konfrontiert. In Wirklichkeit sind den Menschen die Außerirdischen egal, sie sind sogar lästig. Der einzige Grund, warum man sich überhaupt noch mit ihnen befasst, ist die Tatsache, dass man hinter das Geheimnis ihrer Waffentechnologie kommen will. Denn alle gefundenen Waffen scheinen auf die DNS der Außerirdischen codiert zu sein – und funktionieren deshalb nicht, wenn sie ein Mensch benutzen will. Wikus weiß, dass seine Firma alle Waffen beschlagnahmt, aber in seinem Idealismus begreift er nicht, was wirklich vor sich geht. Aber er wird gezwungen sich schließlich damit zu beschäftigen, als er in einer der Hütten eine komische schwarze Flüssigkeit einatmet…

Wie man erahnen kann, biegt die Handlung nach dem grandiosen Anfang (mit dem Umweg über Anleihen an die »Fliege« und »Alien«) in bekanntere Gewässer ein und was schlussendlich bleibt, hätte auch in der Serie »Outer Limits« seinen Platz finden können: District 9 erzählt – abgesehen von seiner genialen Anfangsidee – eine mehr oder weniger bekannte Science-Fiction-Story guter Qualität: Wie ändert sich unsere Sichtweise, wenn wir plötzlich selbst zum Ausgestoßenen werden?

Lustigerweise zeigt sich der Bruch in der Handlung auch filmtechnisch. Während uns zu Beginn eine Kombination aus Interviews, Archivaufnahmen und Handkamera-Sequenzen einen sehr reizvollen dokumentarischen Stil präsentieren, bricht Regisseur Blomkamp dann übergangslos damit. Der Zuschauer sieht plötzlich keine Dokumentation mehr, sondern wird zum allsehenden Beobachter: aus dem gefakten Doku-Format wird plötzlich ein Spielfilm. Zuvor sahen wir alle Szenen aus der Sicht eines fiktiven Kameramannes oder ein Helmkamera, jetzt ist dies nicht mehr der Fall. Und auch mit dem zuvor bewusst sehr zurückhaltend wirkendem Einsatz der Computer-Tricktechnik ist jetzt Schluss – wenn Blomkamp Köpfe in Großformat auf der Leinwand platzen lässt, verliert er sich auch in seiner Geschichte. Kein Wunder also, dass der Film schließlich in einer Aneinanderreihung von Actionsequenzen enden muss. Die Logikfehler gehen in diesem Feuerwerk an Effekten fast unter, ärgerlich und unnötig bleiben sie jedoch trotzdem.

Wenn man sich in diesem Jahr nur einen echten SF-Film ansehen möchte, dann sollte man darauf hoffen, dass das kleine Meisterwerk »Moon« von Duncan Jones doch noch in Deutschland den Weg in die Kinos findet. Möchte man aber noch einen zweiten SF-Film sehen, dann ist »District 9« durchaus eine gute Wahl.

District 9
Verleih: Sony Pictures, Starttermin: 10. September 2009
Regie und Drehbuch: Neill Blomkamp
Filmlänge: 112 Minuten, Altersfreigabe: ab 12