Andreas Gruber – Jakob Rubinstein

Jakob Rubinstein

Basilisk-Verlag, gebundene Ausgabe
Titelbild von Adrian Maleska, Innenillustrationen von Alex Mastny
Erstveröffentlichung Mai 2003, 13,90 €, 182 Seiten

Mit den lose verbundenen Geschichten um den jüdischen Detektiv Jakob Rubinstein legte der österreichische Autor Andreas Gruber nach seiner ersten Anthologie »Der fünfte Erzengel« in der Edition Medusenblut und der Science Fiction-Sammlung »Die letzte Fahrt der Enora Time« aus dem Shayol-Verlag seinen dritten Streich vor. Im nächsten Jahr soll mit »Der Judas-Schrein« sein erster Roman im Festa-Verlag erscheinen.

Der am 28. August 1968 geborene Gruber, arbeitet halbtags in einem mittelständischen Betrieb und widmet sich am Nachmittag dem inzwischen über den Begriff Hobby hinausgewachsenen Schreiben.

Trotz der anfänglichen Erfolge ist er immer auf dem Teppich der Tatsache geblieben und weiß, wie schwer die Anfänge waren: »1996 hatte ich den Traum, Schriftsteller zu werden«, erläutert er in einem kürzlich auf phantastik.de erschienenen Interview mit Carsten Kuhr. »(Ich) verfaßte meine ersten Kurzgeschichten. Von Heyne wurden sie natürlich abgelehnt, ebenso von Kleinverlagen wie Metzengerstein und selbst von Fanzines wie dem Story Center des SFCD… nicht einmal ein Druckkostenzuschußverlag wollte den Text bringen, ha, ha. Da ist man knapp davor, sich das Leben zu nehmen, glaube mir. Ein Schreibworkshop 1997 bei einer niederösterreichischen Autorin öffnete mir die Augen. ‚Streiche alle Eigenschaftswörter aus deinem Text!‘ brüllte sich mich an. Erschlage den Leser nicht mit Erklärungen, sondern zeige es ihm mit Bildern. Na gut, dann versuche ich das halt mal, dachte ich mir und schrieb meine Texte um… und Peng! Solar-X, Fantasia, Story Center und Alien Contact haben sie veröffentlicht. Der zweite Knackpunkt in meiner Entwicklung war ein Besuch in einer dreistöckigen Londoner Buchhandlung. Wie ein Kind vor dem Weihnachtsbaum stand ich vor einem bis zur Decke reichenden Buchregal und starrte auf Hunderte ‚Creative Writing‘-Bände, u.a. »How to write SF« von Ben Bova, Brian Stableford und Orson Scott Card. Ich habe meine sämtlichen britischen Pfunde dafür ausgegeben und die Bücher in Papiertüten in mein Zimmer zum Hyde Park geschleppt. Es steckt unendlich viel Weisheit darin und bis heute habe ich die meisten Bücher davon zweimal gelesen. Der dritte Knackpunkt waren die an mich retournierten und lektorierten Manuskripte, die mir den nötigen Feinschliff gaben, vor allem von Gabi Neumayer, Boris Koch, Malte Sembten und Ekkehard Redlin. Ohne diese Unterstützung wäre ich heute ein grottenschlechter Autor, dessen Texte nicht gedruckt, sondern in den Papierschredder gehören würden.«

Nachdem ihm in einem Passauer Kaffeehaus von Boris Koch das erste Exemplar seiner ersten Kurzgeschichtensammlung übergeben worden ist, war der Autor nicht nur »stolz wie Oscar«, sondern innerhalb kurzer Zeit führte es zu Veröffentlichungen bei Shayol, dem Festa-Verlag und dieser Sammlung bei Basilisk.

Die Figur des Jakob Rubinstein entstand schon 1999, aber bis zum endgültigen Schliff verging nicht eine gewisse Zeit, denn Gruber legte eine Pause ein, um sich anderen Projekten zu widmen: »Ursprünglich hieß Jakob Rubinstein noch Jake Sullivan und war ein jiddischer Detektiv in New York. So begann mein Story-Exposé von 1999. Damals versuchte ich noch angloamerikanische Autoren zu kopieren und meine Stories in einem amerikanischen Setting zu plazieren. Meine ersten Storysammlungen „Der fünfte Erzengel“ und „Die letzte Fahrt der Enora Time“ sowie diverse Anthologiebeiträge kamen mir zum Glück dazwischen und der Amerikaner Jake Sullivan ruhte auf der Festplatte meines PCs. Mittlerweile habe ich erkannt, daß es für einen Autoren leichter ist, Szenen plausibel zu beschreiben, die er kennt, als über Dinge zu faseln, die er nie gesehen hat oder zumindest andeutungsweise erlebt hat. Was war also naheliegender als aus Sullivan den Wiener Detektiv Rubinstein zu machen, der in den psychiatrischen Anstalten, den Bahnhöfen, Krankenhäusern und Galerien Wiens ermittelt und in die legendäre Kanalisation der ehemaligen Kaiserstadt hinabsteigt? Da ich lediglich die erste vorhandene Story und das komplette Expose umschreiben mußte, fiel mir der Einstieg nicht mehr schwer… es war ohnehin ein Neubeginn von Grund auf.«

Und so liegt jetzt die Geschichten um einen zartbesaiteten, dicken, jiddischen (aber sich nicht koscher ernährenden) Detektiv und seinen Freundeskreis vor, die in Wien und nicht New York spielen.

Der Prolog stellt uns den Innenminister Frank Rohrschach und den Kriminalbeamten unbekannten Ranges Grausberger vor. Dort wird Bezug genommen auf den Fall »Helene von Hörig«, den Jakob Rubinstein in der ersten Geschichte zu lösen hat.

»Unangenehme Zwischenfälle? Sie meinen doch nicht etwa den Juden Rubinstein und seinen schwulen Freund Gazetti?« murrte der Mann abfällig. »Die beiden werden uns nicht noch mal in die Quere kommen.«
»Aber wenn…?«
»Wo sollten die denn zu suchen beginnen?« Der Mann wischte mit dem Arm durch die Luft.
Grausberger zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. An einem offenen Ende, einem Anhaltspunkt, an einer Spur, die wir übersehen haben? Immerhin wird das Experiment heute Abend wiederholt und deshalb…«
»Außerdem gibt es keine offenen Enden. Diesmal nicht. Wir haben alle Spuren beseitigt. Der Fall ist dicht. Haben Sie verstanden?«

Als dieser Dialog zeitlich stattfand, war Jakob Rubinstein zwar mit dem Fall beschäftigt, er hatte aber noch keine Erkenntnisse, denn die eigentlichen Informationen erhielt er erst gegen 21 Uhr an diesem Tag. Darum stellt sich für den Leser die Frage, warum die Mächtigen von dichten Fällen sprechen, wenn sie einen Augenzeugen ohne Bewachung in einer Klinik liegen haben und sich nicht darum kümmern, daß die anderen Teilnehmer geistig verwirrt in verschiedenen anderen Städten liegen. In diesem Fall wäre es besser gewesen, im Prolog auf einen anderen Fall einzugehen und vielleicht eine frühere Begegnung Rohrschachs mit Rubinstein zu schildern.

»Der fünfte Fahrgast« ist die Ausgangserzählung dieser Sammlung. Wir lernen den Juden Jakob Rubinstein und seine Sekretärin Rita kennen. Beide im besten Altern (über dreißig Jahre alt… ähem), sie wartet seit Monaten auf ihr Geld, er wartet seit langer Zeit auf einen Fall der Geld einbringt. Außerdem pflegt er seine Waffenphobie, die ihm seinen Posten in der österreichischen Polizei gekostet hat. Eine Frau schneit in das Büro und berichtet, daß ihre kleine achtjährige Tochter vor einer Woche verschwunden ist. Sie sollte mit dem Nachtzug von Wien nach Düsseldorf zu ihrem Vater fahren und ist dort nicht angekommen. 1500 Euro sind ein gewichtiges Argument, den Fall zu übernehmen. Eine kurze Recherche von Rita mit der modernen Technik zeigt, daß den anderen vier Fahrgästen in dem neunten Wagen des Zuges auch seltsame Dinge zugestoßen sind. Sie sind alle verwirrt, zum Teil nackt auf einer Brücke in München gefunden worden oder gar nicht zu entdecken. Rubinstein macht sich auf die Suche, findet einen Augenzeugen, verhört und stürzt sich mutig in den Nachtzug, in dem besagtes Experiment stattfinden soll.

Die Geschichte lebt von seinen Figuren. Jakob Rubinstein entspricht einem österreichischen Columbo für Arme (im Gegensatz zum Detektiv Peter Falk muß Rita die eigentliche Detailarbeit machen und ihrem technikfeindlichen Chef die Daten aufbereitet vorlegen, damit dieser sich mit seinem Buick auf den Weg machen kann. Dieses Schema wiederholt sich in der zweiten Geschichte, nur benutzt Rita E-Mail, da Rubinstein schon unterwegs ist). Skurril, bemitleidenswert, aber lustig stürzt er sich in den Fall, eckt manchmal mit seiner direkten Art ein wenig an (aber nicht absichtlich, denn wenn es nach ihm ginge, würde er die Fälle wahrscheinlich nie lösen, die losen Enden fallen ihm in den Schoß) und rettet den Tag. Außerdem wird er hier ein weiteres Problem los: Er verliert seine Waffe und nutzt danach die Vorzüge einer Attrappe.

Beim Fall »Landgasthaus Einsamer WandererG zieht es den Städter (der eigentlich Wien nur ungern verlasest) in den Norden Österreichs, in die Nähe von Graz. Nicolas Gazetti, Jakobs schwuler Freund, informiert ihn, daß seine Schwester geistig verwirrt aufgefunden wurde. Rubinstein macht sich auf den Weg, um Ermittlungen aufzunehmen. Bei sich hatte sie nur die Karte eines Gasthauses. Bei dem Gasthaus scheint es sich um die Ausweichpraxis eines Psychologen zu handeln, dessen Vergangenheit einige schwarze Flecken aufweist. Natürlich taucht auch Gazetti auf, um in der Einsamkeit der österreichischen Bergwelt seinem Freund tapfer zur Seite zu stehen und einem Rollkommando gleich, lösen die Beiden den Fall und können der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen. Mit Gazetti führt Gruber einen unterhaltsamen Charakter ein, dessen naßforsche Art eher zum Ziel führt als Rubinsteins im Kern zögerliches Abwarten. Die Dialoge zwischen den beiden sind spritzig, unterhaltsam und geben der einfachen, zu geradlinigen Handlung einen richtigen Schubs.

Konsequenterweise lernen wir im nächsten Fall »Wenn das Unglück zuschlägt« Rubinsteins Familie kennen. Seine jüngere Schwester ist Galeristin, extrovertiert und hat gerade durch einen Brandunfall ihren besten Künstler verloren. Und das am Ende seiner Vernissage. Angeblich hat er intensiv gearbeitet (er war mit Verdünner und Farben in direkte Berührung gekommen), als sein Atelier Feuer fing. Rubinstein kommt das ein bißchen quer vor. Besonders als er ermittelt, daß zwischen der Einlieferung in das Krankenhaus, Überstellung von der Intensivstation auf die Krebsstation, Tod, Obduktion und Beerdigung weniger als 10 Stunden vergangen sind. Und das in Österreich, das ja den Wahlspruch »Eile mit Weile« deutlich auf die meisten Fahnen geschrieben hat. Rotzfrech macht er sich mit Gazetti auf den Weg ins Krankenhaus, bringt die Bürokratie durcheinander und kann dank Gazettis aufopferungsvollen körperlichen Einsatzes das Geheimnis lösen. Im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Fällen gibt es weniger einen Täter und ein Opfer. Somit bleibt dieser Fall offiziell ungelöst und die »Toten« können ruhen. Einen schrillen Höhepunkt erlebt die Handlung in einem Krankenzimmer auf der Krebsstation, als sich Gazetti als Patient Grycneck ausgibt und die verblüffte Ärzteschaft nach den Regeln der indirekten Verhörkunst in die Mangel nimmt.

Auch hier ist die teilweise makabre, mit spitzer Feder beschriebene Atmosphäre eindringlicher und interessanter als der eigentliche Fall. Zum Vergleich mit anderen Krimis kommt Rubinstein direkt zum Ziel. Mit dieser Tüchtigkeit und Schnelligkeit (keine falschen Spuren, keine Ermittlungspannen, die Sekretärin immer einsatzbereit, das Verbrechen willig und offen) könnte er reich werden. Aber leider fallen ihm nicht immer die vom Autor konstruierten Fälle in den Schoß. Kurz nacheinander gelesen ergibt sich aus den Geschichten ein vorhersehbares Schema. Einige Fallen, dunkle Ecken und falsche Winkelzüge hätten der Handlung gut getan. Positiv zu vermerken ist die Tatsache, daß Rubinstein weder einer der sich selbst bemitleidenden Schmalspurkommissare, noch ein sportlicher, aggressiver Ermittler ist, der über Leichen geht. Seine Antipathie gegen Gewalt, seine unsportliche Figur und schließlich das Kokketieren mit dem jüdischen Klischee unterscheiden ihn deutlich von der gewöhnlichen Krimikost.

»Renee Reno« ist auf den ersten Blick eine grammatikalische Spielerei mit Rene Russo. Edgar Krom ist nach mehreren Jahren in Paris wieder nach Wien gezogen und möchte seine ehemalige Freundin Renee Reno in Paris einen Brief schreiben, doch dieser kommt unbekannt zurück. Also sucht er auf Empfehlung seines Psychiaters, der die Praxis gegenüber Jakob Rubinsteins Büro hat, den Detektiv auf und bittet diesen, nach der Frau zu suchen. Die ersten Ermittlungen zeigen, daß schon der Hintergrund seines Klienten mehr als fraglich ist, doch im Gegensatz zu seiner ersten Vermutung steht ein zutiefst tragisches und menschliches Schicksal hinter den Ereignissen.

Mit der Katze »Dr. Watson« lernt der Leser den letzten Bewohner von Rubinsteins Büro etwas näher kennen (die drei Goldfische Sammy, Davis und Junior leben ja zu Hause).Im Gegensatz zu den bisherigen Fällen geht es hier um kein Verbrechen und die orthodoxen Ermittlungsmethoden führen zu einer überraschenden, sehr einfühlsamen Lösung für das Opfer . Das hebt die Geschichte aus dem kriminalistischen Dunstkreis nicht nur heraus, sondern erweitert Jakob Rubinsteins Persönlichkeit.

»Der dritte Mann« mit seiner Jagd durch die Abwasserkanäle in der Wiener Unterwelt ist weiterhin eine der berühmtesten Bebilderungen der an Geschichte reichen Stadt. Da muß natürlich auch ein Jakob Rubinstein mithalten. Die abschließende Geschichte »In der Hofburg« beginnt mit der scheinbar ultimativen Begegnung zwischen dem Innenminister Frank Rohrschach und Jakob Rubinstein. Letzterer reagiert immer mit einem kräftigen Niesen auf die Erwähnung des Innenministers, darum ist die persönliche Begegnung mit ihm der Allergiebekämpfung nicht förderlich. Nach der Aufzählung seiner bisherigen Verfehlungen werden ihm Lizenz und Pistolenattrappe entzogen. Beim Verlassen des unübersichtlichen Ministeriums stolpern Rubinstein und Gazetti aber im Keller über etwas, was sie durch die Kanalisation schließlich wieder an die Pool Position der Ereignisse führt, eine Krankheit heilt, einen Feind beseitigt und das Leben sonniger gestalten läßt. Viel Humor, parodistische Anspielungen, pointierte Dialoge zeichnen diese Retourkutsche aus. Bewußt nimmt Gruber inklusiv des Epilogs alle offenen Fäden aus den Geschichten auf und führt sie zu einem furiosen Finale, der direkten Konfrontation mit dem österreichischen Beamtenstaat zusammen. Mit einem Augenzwinkern nimmt er die Politiker auf die Schulter, bringt Korruption und Schiebung an die Öffentlichkeit und darf sich mit der Hilfe seiner Freunde und Verwandte als Sieger fühlen.

Andreas Gruber kam nicht auf den Gedanken, die Geschichten zu einem Roman zusammenzufassen: »Oh, Oh… das wäre Betrug am Leser gewesen! Die fünf Phantastikfälle des Jakob Rubinstein sind nun mal in sich geschlossene Erzählungen, obwohl sich einige Subplots wie ein roter Faden durch sämtliche Geschichten ziehen und Prolog und Epilog dem Buch einen geschlossenen Rahmen geben. Aber es bleibt, was es ist: Ein Episodenroman. Daraus einen an den Haaren herbeigezogenen Roman zu konstruieren wäre eine Verarschung des Lesers gewesen, und da ich mindestens genauso gerne Autor wie Leser bin, mag ich es selbst nicht, wenn mich Klappentexte zu Unrecht ködern oder mich Werbeankündigungen veräppeln. Dafür liegt mir das Vergnügen der Leser zu sehr am Herzen.«

Um das Gesamtbild stimmig zu machen, legte Gruber sehr viel Wert, daß die Innenzeichnungen zu seinen Geschichten keinen Kontrast bilden. Die die Kapitel einleitenden Zeichnungen von Alex Mastny sind atmosphärisch dicht und passen sehr gut zu den Erzählungen. Einzig das Titelbild ist mißlungen, denn Jakob Rubinstein betont mehrmals, daß er Waffen nicht mag und wird doch ausgerechnet auf dem Cover mit einer Pistole in der Hand abgebildet. Hier hätte sich der Zeichner Adrian Maleska etwas Originelleres einfallen lassen sollen. Vielleicht eine zusammengerollte Wiener Tageszeitung oder die Hand auf die Haube seines geliebten Buicks mit dem Nummernschild RUBI 2 vor den stilisierten Wahrzeichen Wiens? So zumindest wirkt das Motiv kontraproduktiv im Vergleich zur Handlung.

Auf dem Titelbild werden Geschichten als »Phantastik-Krimis« charakterisiert, was so nicht richtig ist. Nur zwei der Geschichten haben als Grundlage eine Idee aus der Science Fiction, die letzte Geschichte ist der Wunschtraum jedes Regierungsoberrates und mehr Satire auf das Beamtentum, denn phantastische Vision. Das Herz und der Kern der Stories liegen im typischen Privatdetektivmilieu mit seinen menschlichen Abgründen und Schicksalen.

Grubers Figuren sind sehr menschlich gezeichnet und diese Schwächen entwickelt der Autor konsequent im positiven Sinne weiter, wiederholt in den Geschichten einzelne Attribute, macht sie dem interessierten Leser vertraut und baut so die Sympathieebene aus. Im Gegensatz zu den geradlinigen Handlungen und den Ermittlungen, die immer wieder auf der zuverlässigen Sekretärin Rita und dem Zufall beruhen, überzeugen seine Figuren. Das chinesische Restaurant erinnert an Burkes Zufluchtsort in den Romanen von Andrew Vachss, doch den größten Wiedererkennungsfaktor in den Romanen hat die wunderschöne, einzigartige Stadt Wien. Die Entscheidung, die Geschichten in der österreichischen Hauptstadt spielen zu lassen und auf billige amerikanische Imitationen zu verzichten, war absolut richtig. In diesem Milieu kennt sich der Autor aus und kann seine Landsleute mit spitzer Feder darstellen und so einen einzigartigen Krimi schreiben. Vergleichbar den Kölner Krimis von Achim Mehnert und Thomas Ziegler, übersieht der Leser in diesem dreidimensionalen, farbenprächtigen Bild die Schwachstellen in Bezug auf die Handlung und läßt sich in diese Traumwelt entführen. Schon seine Horror- und Science Fiction-Geschichten konnten immer aufgrund ihrer Atmosphäre überzeugen, wenn die Handlung manchmal nicht den äußeren Ansprüchen, die der Autor auch an sich selbst stellt, entsprochen hat. Andreas Gruber ist, wie er im Interview sagt, »… an einem Punkt angelangt, wo ich meine, daß mir flott erzählte spannende Thriller am meisten liegen, wobei es mir außerordentlich Spaß macht, Elemente der Phantastik in die Handlung einfließen zu lassen. Der Judas-Schrein für Festa geht in diese Richtung. Es beginnt damit, daß ein Kripoteam bei strömenden Regen in einem winzigen österreichischen Bergdorf den Mord eines Serienkillers ermittelt. Der Rest des sechzigseitigen Exposes ist streng geheim.«

Die Spannung ist in den Rubinsteingeschichten das eine oder andere Mal nicht vorhanden – dafür geht er zu sehr den direkten Weg. Einem guten Erzähler gemäß, hat er sich in seine Figuren verliebt und möchte ihnen nicht wehtun.

Doch der überwiegend positive Eindruck bleibt bestehen: »Jakob Rubinstein« unterstreicht Andreas Grubers erzählerische Weiterentwicklung. Er findet hier seine Stimme und scheint diesen Weg konsequent weiterzugehen. Vielleicht wird er sich so eine Nische erschreiben, mit der sein Name eines Tages assoziiert wird.