Ilija Trojanow – Autopol

Autopol

dtv Premium, Taschenbuch
ISBN 3-423-24114-4
Originalausgabe
Umschlagkonzept Balk & Brumshagen
München September 1997, 24.00 DM, 188 Seiten

AUTOPOL entstand auf der Homepage von ASPEKTE als »Novel in Progress« und kann dort auch noch in der Hypertextform gelesen werden. Im Klappentext wird es als »richtungsweisendes literarisches Experiment« bezeichnet; ein Anspruch, der meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt ist.


AUTOPOL ist das ultimate Entsorgungskonzept des nächsten Jahrtausends. Egal ob Schwerverbrecher, politische Gefangene oder Atommüll – alles wird von TETA, dem führenden Konzern in Europa, »ausgeschafft«, d.h. fachgerecht und preiswert, entsorgt. Die eigentlichen Endlager befinden sich in außereuropäischen Ländern, bis dahin zirkuliert der menschliche und industrielle Abfall in AUTOPOL. AUTOPOL ist ein abgeschlossener Teil der Autobahnen, auf denen sogenannte Iso-Transporter stetig mit ca. 30 km/h zirkulieren, da bei stehender Lagerung eine Besteuerung durch die jeweiligen Gemeinden fällig wäre…

Sten Rasin, ein politischer Häftling, wird auch nach AUTOPOL ausgeschafft, und muß miterleben, wie seine Mitgefangenen zu Entsorgungsdiensten eingesetzt werden. Als nun mehrere Häftlinge erkranken und schließlich sogar an den Folgen des Giftes sterben, organisiert er einen Aufstand, und tatsächlich gelingt es den Gefangenen ihren Transporter und sogar eine der Ruhestellen zu übernehmen. Die Verhandlungen über eine Freilassung und einen Abtransport ins Ausland beginnen.

Ilija Trojanow erzählt die Geschichte von Sten Rasin und dem Aufstand in Form von Gesprächsfetzen, Briefen und Memos, und bleibt dabei immer distanzierter Berichterstatter. Es findet keinerlei Auseinandersetzung statt. Der Leser wird mit den Gesprächsaufnahmen, Briefen und Telefonmitschnitten alleine gelassen und darf sich daraus selbst seine Sicht der Dinge entwickeln. Das Medium Hypertext kommt dieser Erzählweise natürlich sehr entgegen, denn anstatt einer fest konzipierten linearen Aufnahme, der immer nur kurzen Textfetzen, kann und muß (!) der Leser in der Onlineversion sich die Geschichte selbst zusammensuchen. Im Falle des Buchs fällt dieser Aspekt naturgemäß weg.

Es bleibt allerdings die Frage, ob sich die Mühe lohnt. Und hier ist mein Urteil zwangsläufig negativ. Nein, die Geschichte bleibt relativ distanziert und nur mäßig interessant (ja, es wird natürlich politische Kritik geübt, aber das fällt nicht allzu sehr ins Gewicht), die Charaktere bleiben zwangsläufig fremd und die Geschichte so spannend wie eine Pressemeldung. Und die vielbeschworene Revolution durch die Nutzung des Hypertextkonzepts und der Aufbruch der linearen Aufnahme des Textes, verpufft ebenfalls an der uninteressanten Geschichte. Außerdem reicht es nicht ein paar kurze Textfetzen durch ein paar Hyperlinks zu verknüpfen und wahl- und meist sinnlose Bilder einzubauen, wie im Falle der Onlineversion geschehen.

Nein, als »Onlineprojekt« ist AUTOPOL eine Enttäuschung und als gedrucktes Buch eine leidlich spannende Zettelsammlung. Es wird Zeit, daß sich auch im Literaturbereich ein wenig mehr über den Begriff »Hypertext« nachgedacht wird. Hyperlinks machen auch eine sterile Geschichte nicht schmackhafter.