Jo Zybell – Apokalypse – Der Tod kommt aus dem All

Apokalypse - Der Tod kommt aus dem All

Zaubermond Verlag, Maddrax 1701
Gebundene Originalausgabe
Titelbild von Werner Öckl
Schwelm 2000, 14.95 Euro, 320 Seiten

Maddrax ist der dritte Versuch des Bastei-Verlages, eine fortlaufende Science Fiction-Serie zu etablieren. In den sechziger Jahren startete Rex Corda und verglühte, wie eine ganze Reihe anderer Serien (Ren Dhark, Raumschiff Promet), sehr schnell. In den achtziger Jahren folgten »Die Terranauten«, die immerhin 99 Hefte und 18 Taschenbücher schafften und auch heute noch erfreut sich die Serie einem ausgezeichneten Ruf. Viele junge progressive deutsche Autoren schrieben an der grünen Alternative zu PERRY RHODAN mit. Seit knappen drei Jahren erscheint jetzt Maddrax alle zwei Wochen und hat es mittlerweile auf fast siebzig Romane zum Zeitpunkt dieser Besprechung gebracht.

Der Zaubermond-Verlag möchte mit diesen begleitenden Hardcovern neuen Lesern und auch alten Hasen die Möglichkeit geben, über die Ereignisse der Heftromane hinaus, die Welt der Serie besser kennenzulernen. Dieses erste Buch spielt deutlich (ca. 500 Jahre) vor den Ereignissen der Heftromane und im zweiten Buch beschreibt Jo Zybell anhand einer Familienchronik die Geschehnisse nach dem Einschlag des Kometen bis zum Einsatz der Heftromane über fast 500 Jahre. In weiteren Büchern sollen u.a. Nebenfiguren beleuchtet werden, die dann in der Serie selbst auftauchen. Sie spielen im Gegensatz zu den ersten beiden Bänden im Rahmen der Serienchronologie.

Hauptfigur der Serie ist der Pilot Matthew Drax, der durch ein Zeitloch in die Zukunft geschleudert wird und dort die Welt kennenlernt, die der Komet Christopher Floyd nach seinem Einschlag hinterlassen hat. Unsere Zeit ist nur noch Legende und es herrscht Barbarei und Mutationen.

Der 1954 geborene Jo Zybell selbst ist mehr durch Zufall an die Maddrax-Serie, aber auch zur Science Fiction gekommen. Als Jugendlicher fing er an zu schreiben und verfaßte später auch Songs, Verse und sogar Predigten. Irgendwann erschienen einige Sachen in Tageszeitungen und dann kam der Rowohlt Verlag auf ihn zu, um eine Geschichte zu veröffentlichen. Zusammen mit seiner Freundin schrieb er schließlich einen kitschigen Arztroman und reichte ihn beim Verlag ein. Es folgten weitere Romane, während er hauptamtlich am Dortmunder Friedhof arbeitete und sich überlegte, als freischaffender Pfarrer zu arbeiten. Er schrieb Trauerreden für Menschen, die keiner Kirche angehörten oder sich mit ihrem Pastor zerstritten hatten. Ein Manuskript für einen Western landete schließlich auf dem Schreibtisch von Michael Schönenbröcher. Letzterer hat im Hause Bastei vielen Serien seinen Stempel aufgedrückt, u.a. auch im Horrorbereich VAMPIRA. Ähnlich wie vor vielen Jahren Kurt Bernhardt nahm und nimmt er Einfluß auf die Entwicklung der Serien und im Falle von Maddrax hob er die Serie aus den Geburtswehen und schrieb zusammen mit Jo Zybell die ersten beiden Exposes. Er ist auch für das grobe Konzept der Serie zuständig, denn im Gegensatz zu Perry Rhodan zieht sich zwar ein roter Faden durch die Handlung, aber die sehr engen großangelegten Zyklen finden sich noch nicht bei Maddrax wieder.

Jo Zybell hat bei »Apokalypse« gleich mit verschiedenen Problemen zu kämpfen: Der Serienleser kennt den Ausgang des Romans und andere fragen sich auch, was bringt dieser Roman neues nach »Deep Impact«, »Armageddon« oder „Luzifers Hammer“ von Niven/Pournelle oder dem besseren „Treffer“ von Michael McCollum?

Matthew Draxs Frau hat die Scheidung eingereicht, da sie nicht mehr mit einem Piloten, der in Europa stationiert ist, verheiratet sein möchte. Sein bester Freund Burt schlägt sich in New York mit farbigen Repräsentanten der Bronxbewohner herum, während er auf der anderen Seite eine Gruppe von Investoren am Hals hat, die die Aufsässigen am liebsten gleich mit unter die Bagger und Abrißbirnen legen möchten. Auf der Fahrt durch Europa säuft sich Drax nicht nur die Hucke voll, sondern lernt kurzzeitig eine schöne Journalistin kennen, die von rechten radikalen Gruppen bedroht wird. Die beiden Hobbyastronomen Christopher und Floyd entdecken mit ihren neuen Gespielinnen einen Kometen, der scheinbar sehr nahe an der Erde vorbeifliegt. Erst im Laufe der nächsten Monate stellt sich heraus, daß der Brocken auf der Erde einschlagen und die Zivilisation auslöschen wird. Während sich einige Menschen – wie zum Beispiel ein Talkmaster – mit schwarzem Humor auf das Ende der Welt vorbereiten, versucht Burt, seine Familie zu retten, die Regierung baut Bunker, in die man die Intelligenz verfrachten kann, um danach weiter zu regieren, und die schwarzen Minderheiten unter der Führung von Washington Roots sind bereit, für ihre Ziele zu kämpfen und gegebenenfalls zu sterben. Drax soll von einem Jagdflugzeug aus den Einschlag des Kometen beobachten und seine Messungen weiterleiten – an wen, wird erst später geklärt.

Zybell ist inzwischen ein routinierter Pulpautor geworden. Aus dem bekannten Stoff wringt er genügend menschliches Drama, um den Leser bei der Stange zu halten. Keine der Figuren kann aus der Klischeekiste herausklettern. Drax, der starke Held, bricht innerlich zusammen, als er erfährt, daß sich seine Frau trennen möchte, aber in einem Akt heldenhafter Opferung versucht er in letzter Sekunde, ihr ein Überleben zu ermöglichen. Dazwischen trinkt er Alkohol, steigt mit Frauen ins Bett (denkt aber an seine Frau!), ist ein treuer Freund und guter Soldat. Der Talkmaster möchte nur das bißchen (und das viele) Geld verdienen, daß er während der letzten Stunden nicht mehr ausgeben kann. Roots ist Familienvater, aber auch radikaler Führer, aufgewachsen in der Bronx, der Großkampfstätte der menschlichen Gesellschaft, die am liebsten verschwiegen wird. Einzig der Kleinkriminelle Herbert macht sich aus dem ganzen einen riesigen Spaß: Wer will mir eine Strafe aufbrummen, wenn ich in drei Monaten tot bin? Er gibt seine Beute mit vollen Händen aus, wird aber von seiner Exfreundin abgelehnt und muß den letzten Gang wie Millionen andere Menschen alleine gehen. Diese Endzeitstimmung erzeugt Zybell sehr überzeugend. Auch wenn jeder Leser weiß, was der Einschlag bedeutet und die Figuren (bis auf Drax und die zum Teil ans Überleben gewöhnten Mutanten der Zukunft) nur auf Zeit, auf sehr knappe Zeit für die Handlung belebt werden, ist APOKALYPSE eine spannende Unterhaltung auf überdurchschnittlichem Heftchenniveau.

Als Leser möchte man schon sehen, was aus den Figuren im großen Schachspiel des Lebens wird. Sterben sie alle beim Einschlag oder schaffen Sie es, sich selbst vorher schon zu eliminieren? Das wachsende Chaos zieht den Leser und die Protagonisten in einen Mahlstrom aus sinnloser Gewalt, aber keine der Figuren zeugt von einzigartiger Lebendigkeit. Dazu malt man zu sehr in bekannten Beschreibungen und die Handlung schreitet ohne größere handlungstechnische Überraschungen sehr zügig und schnell auf das unvermeidliche Ende zu. Die knappen 300 Seiten vergehen wie im Fluge (das richtige Argument für einen Heftroman, den man meistens ja auf dem Weg zur Arbeit und auf der viel zu langen Rückreise nach Hause liest). Als Einführung für gänzlich unbedarfte Leser ist APOKALYPSE sehr empfehlenswert. Er lernt die Hauptfigur in einer abgeschlossenen Handlung kennen, die nicht von ihr getragen wird und kann sich in Ruhe ein Bild von dieser Serie machen, bevor er zu den Heftchen greift. Im Hardcoverformat wirkt das alles natürlich sehr viel edler und überzeugender, auch wenn der Inhalt dem Äußeren nicht gänzlich entsprechen kann. Aber man sollte eben nicht vergessen, daß Zybell inhaltlich extrem eingeschränkt war (der Ausgang der Handlung steht ja fest und die Bücher vor dem ersten Heft können nun einmal keine andere Geschichte erzählen), sei hier noch einmal deutlich herausgestellt. In den weiteren Hardcovern wird ihm mehr schriftstellerische Freiheit gegeben und mit seinem einfachen, aber eindringlichen Stil und einer unterhaltsamen, gut entwickelten Idee, könnten die Hardcover eine gute Unterstützung der Serie werden. Schon aus vielen unterdurchschnittlichen Pilotfilmen sind tolle Serien entstanden, hier hat die bestehende Serie einen guten Prolog erhalten, der aus der ganzen Handlung nicht hervorsticht, nicht sonderlich lange im Gedächtnis bleiben wird und dem Leser kein schlechtes Gewissen macht, wenn er schnell die Figuren wieder vergessen hat, aber während er mit ihnen immer tiefer in eine sich verabschiedende Welt reist, wird er gut unterhalten.