»BOY 7« (2015) – Ein Interview mit David Kross

David Kross
David Kross
David Kross wurde am 4. Juli 1990 in Henstedt-Ulzburg/Schleswig-Holstein geboren. Einen ersten großen Erfolg erzielt er in KNALLHART (2006) unter der Regie von Detlev Buck. Sein internationaler Durchbruch erfolgte an der Seite von Kate Winslet in DER VORLESER (2008) von Stephen Daldry. Seither war David Kross in zahlreichen nationalen und internationalen Produktionen in Kino und Fernsehen zu sehen.
Sein aktueller Film BOY 7 (2015) (Filmkritik »Boy 7«) unter der Regie von Özgür Yildirim startet am 20. und am 21. August 2015 in den deutschen und österreichischen Kinos.

Anlässlich der Österreich-Premiere des Films BOY 7 traf Max Krausmann für SF-FAN.de den überaus sympathischen Schauspieler zum Gespräch in Wien.

David Kross und Max Krausmann
David Kross und Max Krausmann

Kannst Du ein bisschen über das Projekt erzählen? Wie hast Du davon erfahren, wie kam es zur Zusammenarbeit mit Özgür Yildirim und was hat Dich an der Geschichte interessiert?

Ich wurde zuerst über meine Agentur angefragt, ob ich zum Casting gehen möchte. Ich kannte CHIKO (2008) von Özgür (Yildirim) – seinen ersten Film – sowieso schon und war von dem auch sehr begeistert. Dann habe ich mir noch seinen zweiten Film BLUTZBRÜDAZ (2011) angeguckt, den Film mit Sido, den fand ich auch gut und ich hatte dann schon ein gutes Gefühl. Ich war dann mehrmals beim Casting, wo ich auch mit Emilia (Schüle) zusammen gespielt habe, damit man sieht, ob das funktioniert. Ich wollte auch schon immer mal in einem Thriller mitspielen und bei diesem Projekt hatte ich das Gefühl, dass das genau das Richtige ist, um mal einen Genrefilm auszuprobieren. Man hat in Deutschland ja auch nicht so häufig die Chance bei so etwas mitzumachen, weil so was hier nicht so viel produziert wird. Meistens kommt das aus Amerika und manchmal gibt’s dann eben einen blöden Abklatsch von amerikanischen Produktionen und ich fand bei dem Projekt, dass es etwas Eigenes hat und gut mit dem Genre umgeht.

Kanntest Du die Buchvorlage von Mirjam Mous?

Mir kam es ein bisschen bekannt vor, weil mein kleiner Bruder das Buch zu Hause hatte. Ich kannte die Vorlage aber nicht und habe erst das Drehbuch und dann den Roman gelesen und festgestellt, dass beide doch sehr unterschiedlich sind.

Ist es beim Dreh hinderlich die Romanvorlage zu kennen oder schiebt man das beiseite und konzentriert sich nur auf das Drehbuch?

Es kommt darauf an, ich habe das Buch auch nur einmal gelesen. Es gibt andere Romanverfilmungen, wo man sich viel mehr an das Buch halten kann wie z. B. bei DER VORLESER (2009). Da habe ich das Buch total gut benutzen können, weil viele Teile die jetzt nicht im Film oder Drehbuch waren so viel erzählt haben und noch mal so viel von dieser „Innenwelt“ beschrieben haben, was mir total geholfen hat. Bei BOY 7 war es für mich viel interessanter am Drehbuch zu bleiben und einen eigenen Charakter zu kreieren.

Was eine absolute Rarität darstellt, ist der Fall, dass BOY 7 nahezu zeitgleich zweimal verfilmt wurde. Die niederländische Verfilmung kam bereits im Februar 2015 in die dortigen Kinos. Wie kam es dazu und hast Du die niederländische Verfilmung gesehen?

Die niederländische Produktionsfirma Lemming-Film hat den Film koproduziert und war so, gemeinsam mit der deutschen Schwesterfirma Hamster-Film, für unsere BOY 7 Version zuständig. Im Prinzip wurde der gleiche Stoff zweimal produziert, wahrscheinlich um vor Ort mit lokalen Schauspielern zu arbeiten. Ich hab die niederländische Fassung noch nicht gesehen, aber ich glaube, dass die Filme wahnsinnig unterschiedlich sind und auf eine gewisse Art und Weise hat man dann den Ansporn, dass man dann die bessere Version macht. Vielleicht sollte man das häufiger machen, um durch den Konkurrenzkampf bessere Filme zu machen. (lacht)

Young-Adult Bücher und die dazugehörigen Verfilmungen sind immens erfolgreich und gleichermaßen bei Teenagern wie auch bei Erwachsenen beliebt. Interessant ist auch die Tatsache, dass mit wenigen Ausnahmen wie z. B. bei DAS SCHICKSAL IST EIN MIESER VERRÄTER (Buch von John Green – Film von Josh Boone) meist ein Fantasy- oder dystopisches Science-Fiction-Szenario dominiert. Kannst Du dir erklären was die Faszination für diese Genres ausmacht?

Ich kann es mir auch nicht wirklich erklären. Es spricht natürlich ein jugendliches Publikum an, das eine riesige Zielgruppe darstellt und viel Einfluss hat. Ich glaube aber auch, dass es schon immer ein Interesse an Dystopien gab, aber es ist schon bemerkbar, dass so etwas viel Erfolg hat. Soziologisch kann ich es aber auch nicht erklären, da kenne ich mich zu wenig aus, aber persönlich gucke ich auch nicht so viel von diesen Filmen, es ist nicht so mein Lieblingsgenre.

Was waren denn Deine Lieblingsfilme/Bücher oder Dein Lieblingsgenre als Du ein Kind oder Teenager warst?

Ich fand Thriller-Elemente im Film schon immer gut, dass man an der Geschichte dran bleibt, mit reingezogen wird und wissen will was als nächstes geschieht. Ich habe früher MacGyver geliebt, der konnte z. B. aus einem Streichholz und einem Faden eine Bombe bauen und man wusste natürlich, dass am Ende immer alles gut ausging, aber es war spannend und das fand ich gut und deshalb wollte ich auch als Schauspieler einmal bei so was dabei sein.

Manche Elemente aus dem Film sind gar nicht mehr so weit weg. Schon heute teilen viele Menschen Privates im Internet, wissend, dass große Konzerne diese Daten verwerten, um damit Nutzer- und Verhaltensprofile zu erstellen, die wiederum zur Manipulation verwendet werden können. Speziell Teenager gehen damit oft ziemlich sorglos um.

Absolut, dazu muss man nur irgendwo Online-Shoppen und auf anderen Plattformen werden zum eigenen Profil passend Vorschläge gemacht. Es ist dann natürlich eine gute Frage, wie der Film bei Teenagern und jungen Erwachsenen ankommt. Für mich ist das auch Teil des Genres, das inhaltlich immer ein ernstes Thema behandelt wird. Der Film ist auf der einen Seite spannend und man möchte wissen wie die Geschichte weiter geht, auf der anderen Seite behandelt BOY 7 ein Thema was gut zu unserer Zeit passt und ich finde, dass das Özgür auch wirklich gut hingekriegt hat.

Welche Rolle spielen Computer und speziell Social Media in Deinem heutigen Leben? Hat das für Dich eine Bedeutung?

Absolut, ich glaube das hat für alle eine große Bedeutung. Informationstechnisch stellt das eine große Veränderung dar, überhaupt wie Informationen weitergegeben werden und damit umgegangen wird. Das hat natürlich auch eine Kehrseite und damit spielt ja auch der Film; mit dieser Manipulation und was mit den Daten gemacht wird, die man von sich freigibt.

Hast Du eigentlich selbst eigene Social Media Seiten oder nutzt Du diese privat?

Nein, ich habe weder eine Instagram- noch eine eigene Facebookseite. Manchmal ist das auch ziemlich absurd, so hat mir vor kurzem ein Journalist erzählt, dass es viele gibt, die sich als meine Person ausgeben. Es gab – schon vor längerer Zeit – den Fall, dass jemand unter meinem Namen auf Twitter ein Profil erstellt hat. Ich hab mir damals noch die Mühe gemacht, dieses Profil sperren zu lassen, aber jetzt wäre das gar nicht mehr möglich alles so zu kontrollieren. Ich selber nutze nur E-Mail, soweit bin ich schon gekommen und das war’s dann auch schon. (lacht)

Dem Presseheft habe ich entnommen, dass Du selbst nur wenig mit dem Computer spielst?

Das einzige was ich noch ein bisschen mit Freunden spiele ist „FIFA“. Ich weiß noch als das früher so in Mode kam, wollte ich auch so fasziniert davon sein, aber es hat bei mir irgendwie nicht geklappt und ich habe mich immer schnell gelangweilt.
Ich weiß auch nicht genau warum, ich wollte dann wohl eher selber etwas lernen.

Die Kooperation X im Film kann ja auch als neoliberale Kaderschmiede gesehen werden, die aus ihren „Talenten“ wieder produktive Bürger für die Gesellschaft machen will. Interessiert Dich auch die wirtschaftliche Seite eines Projekts? Siehst Du dir z. B. nach dem Startwochenende die Besucherzahlen an oder ist dir das egal?

Ganz egal ist mir das natürlich nicht, man macht ja Filme für Zuschauer und damit diese gesehen werden. Es kommt auch darauf an was für ein Projekt es ist und ich finde es schon spannend zu sehen, welcher Film zu welcher Zeit funktioniert. Ich finde auch, dass das Fernsehen einen neuen Schub bekommen hat, speziell in den USA, was dort z. T. produziert wird ist schon fast qualitativ besser als viele Kinofilme und man kann damit auch viel mehr Leute erreichen. Ich habe Anfang des Jahres einen Fernsehfilm gedreht und da weiß ich jetzt schon, dass der mehr Zuschauer haben wird, als jeder Kinofilm den ich bis bisher gemacht habe. Beim Kino kommt hingegen schon noch hinzu, dass hier Menschen eine Kinokarte kaufen und somit ist das auch eine viel bewusstere Entscheidung einen Film zu sehen. Deshalb ist der wirtschaftliche Aspekt sicher interessant und ich guck da auch mal.

David Kross

Wie legitim ist es denn, Inhalte oder künstlerische Prinzipien der Wirtschaftlichkeit zu opfern? Bei BOY 7 gab es auch Testscreenings, wurden hier Szenen geändert?

Das weiß ich gar nicht, da ich in diesem Prozess nicht involviert bin. Das ist dann Aufgabe des Regisseurs mit seinem Cutter. Der Film wird im Prinzip ja dreimal gemacht, mit dem Drehbuch, dann beim Dreh selbst und dann noch mal beim Schnitt und bei diesem dritten Teil hab ich wenig zu sagen.

Aber wäre es für Dich OK so was zu machen, d. h. inhaltliche oder künstlerische Kompromisse zu machen, um bessere Besucherzahlen zu erhalten? Der amerikanische Verleiher Harvey Weinstein verlangte von Bong Joon-Ho, dem Regisseur von SNOWPIERCER (2013) eine 20-minütige Kürzung für den amerikanischen Markt. Bong Joon-Ho weigerte sich, was zur Folge hatte, dass dem Film ein Wide-Release verweigert wurde.

Das sind Entscheidungen, die Regisseure treffen und ich denke es kommt auch immer auf die jeweilige Situation an, wenn z. B. die meisten Leute nicht verstehen wie oder warum es zu etwas kommt. Wenn es um Verständnisfragen geht, versteh ich das schon, dass man das manchmal ändert, weil man als Regisseur – so denke ich – so stark in einem Film involviert ist, dass man manchmal den Blick von draußen braucht. Das gibt’s im Theater ja auch, wo sich Leute Previews anschauen und dann wird es noch mal geändert. Bei künstlerischen Fragen ist das schwierig, da ist man natürlich in einer Bredouille drinnen, aber Kino ist halt auch eine Industrie.

Liest Du Filmkritiken? Manche Schauspieler verweigern das ja komplett.

Doch, ich lese die schon. Ich versuche nicht zu viel zu lesen, aber mir macht das auch schon Spaß und ich freu auch schon sehr auf die österreichischen Besprechungen. Ich lese auch gerne fiese Kritiken – wenn sie gut geschrieben sind!

Könntest Du dir vorstellen die Seiten zu wechseln z. B. als Regisseur oder Produzent zu agieren und Stoffe zu entwickeln?

Ich fände das schon spannend, aber im Moment fühlt sich das noch nicht so an, als ob jetzt schon die Zeit dafür ist. Ich hab vielmehr das Gefühl, dass ich mich noch mehr im Beruf des Schauspielers ausprobieren und erleben möchte, als jetzt schon die Seiten zu wechseln.

Deine Filmografie umfasst eine beeindruckende Bandbreite. Welche Projekte stehen als nächstes an? Kannst Du schon etwas darüber erzählen oder ist das alles noch geheim?

Es ist nicht wirklich topsecret, es immer mehr das Problem mit der Finanzierung, da ist noch nicht alles 100% klar und deshalb spreche ich noch nicht so gerne darüber. Das sind tolle Projekte und sobald die Finanzierung klar ist, kann ich darüber etwas erzählen.

Abschließend, was ist Dein Lieblings-Science-Fiction Film?

Blade Runner.

Wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen eine gelungene Premiere.